Öffentlicher Raum zwischen Neubauten in der Europacity, Berlin. Bild: Laura Bornemann

Mehr Planungskultur für attraktive Städte
von Hans-Hermann Albers

2020 war wieder ein Rekordjahr für den Bausektor. Nicht nur im Wohnungsbau, auch bei den Gewerbeimmobilien oder öffentlichen Bauten und Infrastrukturen sind die Baufertigstellungen auf hohem Niveau. Ein Großteil der deutschen Städte wächst und erschließt neue Bau- und Gewerbegebiete. Trotz langer Planungs- und Genehmigungsprozesse wird jedoch zunehmend eine geringe Gestaltungsqualität und eine Missachtung baukultureller Aspekte kritisiert. Den zahlreichen neuen Wohnbaugebieten – meist am Stadtrand – mangelt es oft an Aufenthaltsqualität und urbaner Attraktivität. Auch neue Logistikzentren auf der grünen Wiese werden häufig als gesichtslose Zweckbauten wahrgenommen.
Planungskultur und kreatives Know-How sind eine notwendige Grundlage für Gestaltungsqualität, Baukultur und innovative Lösungen für lebenswerte Städte. Dennoch vermeiden viele Kommunen Bebauungspläne mit detaillierten Gestaltungsvorgaben – mitunter aus Angst, Investoren oder Bauherren zu verschrecken. Gestaltungsbeiräte oder andere Gremien sind vielerorts nicht vorhanden. Negativ wirkt auch, dass die Anzahl der Architekturwettbewerbe in den letzten Jahren stetig gesunken ist und 2020 nur noch 8,75% der architektur-relevanten Ausschreibungen über einen gestalterischen Wettbewerb erfolgten.
Die Planungs- und Baukultur sollte nicht nur auf wenige Prestigeprojekte fokussiert, sondern insgesamt gestärkt werden.

Wie stellen Sie sicher, dass künftig wieder mehr architektonisches und stadtplanerisches (Gestaltungs-)Potential und Expertenwissen eingebracht und berücksichtigt wird, damit attraktive und lebenswerte Stadträume entstehen?

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[Antwort Daniel Föst]

Wir Freie Demokraten setzen uns grundsätzlich dafür ein, dass Expertenwissen genutzt wird. Wir wollen den Architekten und Bauexperten mehr Verantwortung und Spielraum lassen, statt sie noch mehr in ein zu strenges Vorschriftenkorsett zu zwängen. Die gewünschte Gestaltungsqualität und Baukultur sowie innovative Lösungen in Wohngebieten erreichen wir nur auf diesem Weg. Um innovative Lösungen zusätzlich zu fördern, wollen wir nicht nur in der Regulierungspraxis das Innovationsprinzip einführen, sondern auch neue Experimentierräume, die so genannten Baufreiheitszonen, schaffen. Hier soll es möglich sein, bei Einhaltung von Mindeststandards, neue Ideen und Techniken zur Gebäudesanierung, im Neubau und Quartiersmanagement zu erproben. Wir wollen dadurch nicht nur Anreize zur Entwicklung von innovativen Konzepten zur Senkung der Baukosten schaffen, sondern auch die Grundlagen dafür legen, dass Gebäude und Quartiere in Zukunft zu Energie-Prosumenten werden.
Unsere Gemeinden brauchen mehr Freiheiten, um die Bedürfnisse der Bevölkerung nach günstigem und angemessenem Wohnraum erfüllen zu können. Ein Teil dieses Freiraums sollte durch das Schaffen kommunal geeigneter Rahmenbedingungen auch an die Architekten weitergegeben werden und somit Baukultur ermöglichen. Es ist ein weitgehender Trugschluss, dass man Bauherren zur Planungskultur zwingen müsste. Schließlich bedeutet schön, ansprechend und attraktiv bauen nicht automatisch teuer bauen und kein Bauherr wird architektonisch ansprechende Lösungen aus Prinzip verwerfen. Um die Einhaltung von Rahmenbedingungen zu kontrollieren und um grundsätzlich auf Bau- und Planungskultur in der Stadt mehr zu achten, können wir uns in größeren Städten die Funktion eines Stadtbaumeisters vorstellen. Grundsätzlich aber steht fest: Die Politik sollte die Rahmenbedingungen und Ziele formulieren, nicht aber den Job der Experten übernehmen. Kunst und Kultur waren schon immer Teil der Freiheit, nicht der Regulierung.

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Der Stellenwert der Baukultur als elementarem Bestandteil der Stadtentwicklung in Deutschland ist seit der Gründung der Bundesstiftung Baukultur erheblich gestiegen. Sie vereint unter ihrem Dach neben ökonomischen, sozialen und ökologischen Aspekten hat Baukultur immer auch eine subjektive Dimension von Emotionalität und Ästhetik.

Aktuell sind wir vor die Herausforderung gestellt, angesichts der kritischen Wohnungsmarktlagen in den Großstädten und Metropolregionen, aber auch zunehmend in mittelgroßen (Universitäts-)Städten ausreichenden und vor allem bezahlbaren Wohnraum innerhalb möglichst kurzer Zeit zu schaffen. Neben der Bezahlbarkeit des Wohnens müssen in der Tat qualitative Aspekte eine ebenso bedeutende Rolle spielen. Anders ausgedrückt: Das Ziel einer integrierten und nachhaltigen Stadtentwicklung, bei der baukulturelle Aspekte wichtiger Bestandteil sind, darf auch bei den aktuellen wohnungspolitischen Herausforderungen nicht aus dem Blick geraten. Wir brauchen guten Wohnraum in einem attraktiven Wohnumfeld in lebendigen Quartieren. Dazu gehört eine qualitätsvolle Architektur, gut gestaltete Freiräume und Grünflächen sowie Begegnungsräume im Sinne einer hohen Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum. Neben den Vorgaben des Klimaschutzes treten die Anforderungen an Generationengerechtigkeit auch im Zuge des demografischen Wandels. Die Neuausrichtung der Städtebauförderungsprogramme hat diesen vielfältigen Anforderungen Rechnung getragen und unterstützt die Städte und Gemeinden dabei, der Stadtgestaltung wieder mehr Aufmerksamkeit widmen zu können. Wir stehen dafür ein, diese Programme weiterhin finanziell auf einem hohen Niveau auszustatten.

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[Antwort Daniela Wagner]

Innenstädte und Ortskerne, die man gerne besucht, in denen man verweilt und andere Menschen trifft, tragen enorm zu unserer Lebensqualität bei. Sie bieten kulturellen Austausch und geben dem Leben in Stadt und Land eine Bühne. Mit einer guten Baukultur wollen wir Stadtzentren und Ortskerne lebenswerter, attraktiver und auch für alle Menschen sicherer machen. Durch neues Wohnen, Gewerbe, Bildung und Kultur wollen wir die Stadt der kurzen Wege Wirklichkeit werden lassen. Mit einer klugen Stadtentwicklungspolitik, nachhaltigen Verkehrskonzepten und einem Städtebaunotfallfonds wollen wir die Voraussetzungen schaffen, dass auch der Einzelhandel und das Handwerk dort eine Zukunft haben. Dafür wollen wir die Städtebauförderung neu ausrichten: Für schönere, ästhetischere Städte, mehr Stadtgrün und Wasserflächen, damit man auch in Zeiten immer heißerer Sommer gut in der Stadt leben kann.

Qualitätsorientierte Vergaben gerade von Grund und Boden sind von erheblicher Bedeutung für eine nachhaltige und zukunftsfähige Stadtentwicklung. Dabei spielen Konzeptvergaben eine sehr wichtige Rolle, denn hier wird Grund und Boden für Bebauung und andere Nutzungen nach dem besten, qualitätsvollsten Konzept zu einem festen Preis vergeben, statt nach dem höchsten Preis. Die öffentliche Hand muss hier vorbildlich vorangehen und dies bei Planung und Bau bundeseigener Gebäude und Liegenschaften entsprechend anwenden. Planungswettbewerbe müssen auch neue, junge Architektur- und Planungsbüros einbeziehen und sollten wo immer möglich offen gestaltet werden. Wir stärken die Kommunen darin, Konzeptvergaben anzuwenden, mit Hilfe einer am Gemeinwohl orientierten Bodenpolitik des Bundes, die Boden günstiger bereit stellt und den Kommunen die aktive Bodenpolitik erleichtert.

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Wir wollen unsere Innenstädte, Stadtteilzentren und Ortskerne erhalten. Sie müssen nach der Corona-Krise neugestaltet und in ihrer Funktion als Orte der Begegnung und Vielfalt gestärkt werden. Lebendige Fußgängerzonen, Marktplätze und der Einzelhandel vor Ort machen unsere Städte lebenswert. Gleichzeitig stehen unsere Einzelhändler mit der Digitalisierung und dem E-Commerce vor enormen Herausforderungen. Auch die Corona-Pandemie stellt für sie eine historische Belastung dar. Deshalb werden wir einen Zukunftspakt für Innenstädte schmieden. Als wichtigen Teil des Pakts werden wir zusätzlich zu den bestehenden Städtebauprogrammen ein Förderprogramm „Attraktive Innenstadt“ auflegen, von dem auch kleinere Städte und Gemeinden profitieren. Wir werden darauf achten, dass der Pakt und das Programm so ausgestaltet werden, dass architektonische und stadtplanerische Erkenntnisse und Qualität zum Tragen kommen. Es ist uns ein Anliegen, dass der Lebensraum Stadt den Menschen Lebensqualität bringt.

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[Antwort Caren Lay]

Wir wollen das Bauen nicht dem Markt überlassen. Eine gemeinwohlorientierte, soziale und ökologische Stadtentwicklung darf bei der Grundstücksvergabe nicht auf die Höhe des Verkaufspreises oder Erbbauzinses setzen. Planungswettbewerbe und Konzeptverfahren, mit denen Kommunen Kriterien für die Entwicklung von Grundstücken aufstellen, sind eine in vielen Städten erprobte Alternative. DIE LINKE setzt sich dafür ein, dass öffentliche Grundstücke grundsätzlich im Erbbaurecht und mit Konzeptausschreibungen vergeben werden. Durch eine Reform der Bundeshaushaltsordnung sowie des BImA-Gesetzes wollen wir das auf Bundesebene sicherstellen. Konzeptverfahren und allgemein eine gemeinwohlorientierte Immobilienentwicklung können administrativ aufwändiger und mit beihilfe- und vergaberechtlichen Hürden konfrontiert sein. Um sowohl die Kommunen als auch Genossenschaften, gemeinnützige Träger und Initiativen beim damit verbundenen Aufwand zu unterstützen, sollen sie dafür Mittel aus der Städtebauförderung bekommen können.

Die Vergabe öffentlicher Aufträge darf sich nicht ausschließlich am billigsten Angebot orientieren. Denn Konkurrenz und Kostendruck führen allzu oft zu Lohndumping, schlechten Arbeitsbedingungen und Minderqualität. Bund, Länder und Kommunen haben als Bauherren eine Vorbildfunktion. Entscheidend dafür sind klare Regeln und politische Vorgaben, die auch baukulturelle Belange und Klimaschutzvorgaben sowie die Förderung von Innovation und regionalen Wirtschaftskreisläufen gehören. Transparenz, eine frühzeitige Beteiligung aller Interessengruppen sowie die Beförderung einer Unternehmenskultur, die nicht einseitig gewinnorientiert ist, sind weitere Schlüsselfaktoren. Werden die nicht berücksichtigt, wird es immer wieder große Probleme mit öffentlichen Bauvorhaben geben.

Den zunehmenden und immer detaillierteren Normen und Bauvorschriften stehen wir skeptisch gegenüber. Durch mehr Transparenz und demokratische Mitsprache bei der Normsetzung und Gesetzgebung wollen wir die Praxistauglichkeit und Effektivität erhöhen. Die notwendige Vereinfachung und konsistente Gestaltung der Bauordnungen darf allerdings nicht zulasten von arbeitsrechtlichen, ökologischen und gesundheitlichen Standards gehen.

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