Vom 30-Hektar-Ziel zur qualitativen und nachhaltigen Bodennutzung
von Laura Bornemann

Boden ist eine endliche Ressource und erfüllt lebenswichtige Funktionen für Ökosysteme, die gerade im Hinblick auf den Klimawandel immer wichtiger werden. 2004 hat sich die Bundesregierung im Rahmen der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie das 30-Hektar-Ziel als Vorgabe für die tägliche Neuinanspruchnahme von Flächen für Siedlung und Verkehr bis 2020 gesetzt. 2016 hat sie die Zielsetzung mit der Neuauflage der Nachhaltigkeitsstrategie auf 2030 verschoben. Um die Maßgabe diesmal zu erreichen, müsste die Inanspruchnahme von Boden innerhalb der nächsten neun Jahre halbiert werden. Bis 2050 soll dann das Netto-Null-Ziel erreicht werden, das in der Summe ohne eine neue Flächeninanspruchnahme auskommt.

Trotz dieser Ziele werden neue Wohn- und Gewerbegebiete mit geringer baulicher Dichte außerhalb der bestehenden Siedlungsbereiche ausgewiesen, welche lange Wege und weiteren motorisierten Verkehr nach sich ziehen. Die Bauflächen entstehen dabei häufig unabhängig von der wirtschaftlichen und demographischen Entwicklung: In der Kommunalbefragung zur Baukultur 2015 gaben 65 % der Kommunen in stark schrumpfenden Gebieten an, neue Einfamilienhausgebiete auszuweisen.

Gerade in Regionen mit negativer Bevölkerungsentwicklung verursacht die Ausweisung neuer Flächen mittelfristig signifikante Zusatzkosten, insbesondere durch den Bau und Erhalt von untergenutzter Infrastruktur. Weiterhin lässt sich infolge von Suburbanisierung der Donut-Effekt beobachten: Die Nahversorgungsangebote und Arbeitsplätze ziehen der Wohnbebauung folgend an den Stadtrand, der Leerstand in zentralen Lagen wächst und der Ortskern verliert seine Funktion. Dieses Nebeneinander von entleerten Ortskernen und Neubaugebieten am Ortsrand kann in vielen Städten und Gemeinden in ganz Deutschland beobachtet werden.

Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um das 30-Hektar-Ziel zu erreichen? Mit welchen Instrumenten wollen Sie den Herausforderungen des Flächenwachstums und der Suburbanisierung begegnen?

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[Antwort Caren Lay]

Die Bodenfrage ist in vieler Hinsicht die Voraussetzung für eine soziale sowie umwelt- und klimagerechte Politik. Mit einem Bodensicherungsgesetz wollen wir die Privatisierung öffentlichen Immobilieneigentums stoppen und eine Trendwende einleiten, hin zu mehr, statt weniger Bauland in Gemeinschaftshand. Bund, Länder und besonders die Kommunen sollen durch ein Bodenankaufprogramm im Umfang von zwei Milliarden Euro im Jahr sowie durch ein flächendeckendes, auf den sozialen Ertragswert preislimitiertes kommunales Vorkaufsrecht bei der Bodenbevorratung unterstützt werden. Denn erst der Bodenbesitz gibt ihnen wichtige Steuerungsmöglichkeiten für eine sozial Wohnungspolitik und die kommunale Daseinsvorsorge an die Hand. 

Den Flächenfraß-Paragraphen 13b BauGB wollen wir abschaffen. Der 2017 in das BauGB eingeführte § 13b ermöglicht die Aufstellung von Bebauungsplänen für Außenbereichsflächen von bis zu 10.000 Quadratmetern im beschleunigten Verfahren. Seither sind zahlreiche neue Baugebiete ausgewiesen worden, von denen kein Gebiet innerhalb eines angespannten Wohnungsmarkts liegt. Laut einer Untersuchung des Umweltbundesamtes stehen beim §13b nicht wohnungspolitische oder städtebauliche Erwägungen im Mittelpunkt, sondern oft die angesichts der Personalknappheit attraktive Vereinfachung der verfahrensmäßigen und materiellen Anforderungen an die Bebauungspläne (Umweltbundesamt, Texte 93/2020).Auf diese Weise fördert § 13b BauGB die weitere Zersiedlung, Versiegelung und Zerschneidung von Landschaften zulasten demokratischer Beteiligung sowie mit allen negativen Folgen, die die Zunahme von Siedlungs- und Verkehrsflächen mit sich bringt. Dazu gehören u. a. Verlust an Lebensraum für Tiere und Pflanzen, Biodiversität und (Acker-)Böden sowie steigende Umweltbelastungen wie Lärm und Luftverschmutzung durch zunehmenden Individualverkehr. Außerdem steht § 13b BauGB dem Anspruch einer sinnvollen strategischen Innenentwicklung entgegen, und fördert stattdessen den sogenannten „Donut-Effekt“ einer zunehmenden Entleerung der Ortskerne bei anwachsender Bebauung im Außenbereich. Entsprechend ist die Regelung weder mit dem Ziel des Vorrangs der Innenverdichtung noch mit dem Zielen des Flächensparens sowie dem Schutz des Bodens zu vereinbaren und muss abgeschafft werden.

DIE LINKE setzt sich seit Jahren für eine flächensparende und ressourcenschonende Stadtentwicklung ein, die konsequent auf Innenentwicklung sowie auf Bestand vor Neubau setzt. Denn der Bestand ist der ungehobene Schatz einer sozial und umweltgerechten Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik. Wohnen im Bestand ist günstiger, besonders bei sachgerechter Instandhaltung und gemeinwohlorientierter Bewirtschaftung. Zwei Drittel der jährlichen Bauleistung fließt in die im Vergleich zum Neubau umwelt- und ressourcenschonendere Bestandsentwicklung. Die größtenteils noch kaum oder gar nicht sanierten Wohngebäude aus der Nachkriegszeit bietet erhebliches Potenzial für den Klimaschutz und für eine behutsame, warmmietenneutrale Verbesserung der Wohnqualität. Solche Modellprojekte für klimagerechte Nachbarschaften wollen wir mit 5 Milliarden Euro im Jahr fördern. Abrisse und Ersatzneubauten wollen wir so weit wie möglich vermeiden.

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[Antwort Daniela Wagner]

Siehe auch Antwort auf die Fragen 2 und 3. Die Reduktion des Flächenverbrauchs spielt eine zentrale Rolle für eine nachhaltige Stadtentwicklung. Mit entsprechenden rechtlichen Vorgaben und Anreizen realisieren wir den Vorrang der Innenentwicklung und flächensparendes Bauen, nicht mehr benötigte versiegelte Flächen werden der Natur zurückgegeben. Künftig wird mehr hoch als breit gebaut, Verkehrsflächen werden reduziert. Flächen, die noch versiegelt werden, müssen ortsnah durch Entsiegelung ausgeglichen werden. So steigen wir in eine Flächenkreislaufwirtschaft ein, die letztlich keinen Nettoverbrauch an Boden mehr benötigt. Wir setzen uns ferner dafür ein, dass der Paragraph 13b des Baugesetzbuches nicht über das Jahr 2022 hinaus verlängert wird.

Auch über die Stärkung der Ortskerne, die Reaktivierung leerstehender Gebäude und die Rettung der Innenstädte können und werden wir das Problem adressieren. Hier ist eine aktive Bodenpolitik gefragt. Grund und Boden unterscheiden sich von anderen Gütern, weil sie prinzipiell nicht vermehrbar und gleichzeitig unverzichtbar sind. Wir wollen erreichen, dass die öffentliche Hand wieder eine strategische und gerechte Bodenpolitik betreibt. Der Bund soll seine eigenen Immobilien nicht länger meistbietend verkaufen, sondern gezielt die Schaffung von bezahlbarem und nachhaltigem Wohnraum, kulturellen, sozialen und gemeinwohlorientierten Einrichtungen fördern. Dafür wollen wir die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben in einen gemeinnützigen Bodenfonds umwandeln. Der Fonds kauft neue Flächen strategisch zu und überträgt sie an gemeinwohlorientierte Träger. Die Flächen sollen bevorzugt in Erbpacht für öffentliche Zwecke vergeben werden.

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[Antwort Daniel Föst]

Wir müssen bezahlbaren Wohnraum schaffen und gleichzeitig sorgsam mit Flächen umgehen. Dieser Zielkonflikt lässt sich am einfachsten durch die Nutzung der dritten Dimension lösen: Wir müssen weiter nach oben bauen. Gerade in den Metropolregionen kann durch die Aufstockung oder den Ausbau von Dachgeschossen schnell, günstig und ohne neuen Flächenverbrauch neuer Wohnraum geschaffen werden. Dafür müssen bürokratische Hürden im Bauplanungs- und Bauordnungsrecht abgebaut werden, die dem verstärkten Ausbau bisher im Weg stehen. Dass für eine Dachgeschosswohnung auf einem jahrhundertealten Haus in jeder Hinsicht die Vorschriften von Neubauprojekten gelten, ist nicht sinnvoll und zielführend.

Die Innenentwicklung muss grundsätzlich Vorrang vor der Außenentwicklung haben. Vor der Versiegelung und Bebauung neuer Flächen werden gilt es neben dem vermehrten Dachausbau also, Brachflächen zu revitalisieren und leerstehende Gebäude zu renovieren und wieder zu nutzen. Um beispielsweise alte Bürogebäude auch als Wohnraum nutzen zu können, brauchen wir hier flexiblere Gebäudeklassen und Bebauungspläne. Ordnungsrechtliche Hürden zur Umwidmung von Gebäuden müssen abgebaut werden. Potentialflächenkataster können den Kommunen dazu ergänzend helfen, die noch vorhandenen Möglichkeiten der Nachverdichtung aufzeigen. Gerade bei solchen Planungen kann der Bund die Gemeinden unterstützen und dadurch eine nachhaltige Stadt- und Gemeindeentwicklung ermöglichen. Mit klugen Anbindungen an die Metropolregionen und einer funktionierenden Infrastruktur auf dem Land können wir zudem dazu beitragen, dass Flächen gespart werden und der ländliche Raum nicht ausblutet. Auch dadurch nutzen wir die bereits versiegelten Flächen, statt neue Flächen bebauen zu müssen.

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Die Reduzierung des Flächenverbrauchs ist in Deutschland auf allen staatlichen Handlungsebenen als Ziel verankert: Baurecht, Raumordnungsrecht und Naturschutzrecht des Bundes verpflichten die ausführenden Länder wie auch die Kommunen im Rahmen ihrer Planungshoheit zu einem sparsamen und schonenden Umgang mit Grund und Boden, zur Reduzierung des Flächenverbrauchs und zur Vermeidung von Eingriffen in Natur und Landschaft nach Maßgabe der jeweiligen Vorschriften.

Um vorhandene Zielkonflikte etwa mit dem dringend notwendigen Bau von ausreichenden und bezahlbaren Wohnungen in den angespannten Wohnungsmarktlagen vor allem der großen Städte und Ballungsräume zu bearbeiten und im Idealfall zu lösen, brauchen wir einen strategischen Flächenmanagementansatz, der am besten im Dialog aller beteiligten staatlichen Ebenen entwickelt werden sollte. Ziel aller Vorschläge und Maßnahmen muss es dabei sein, dem Anspruch und die Pflicht zu einer nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung unter Berücksichtigung der sozialen, wirtschaftlichen und klimaschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen nachzukommen. Dazu gehört der sparsame und schonende Umgang mit Grund und Boden, die vorrangige Nutzung der Innenentwicklung, insbesondere durch behutsame Nachverdichtung, aber auch durch eine intelligente Nachnutzung von Flächen und der Verzicht auf vermeidbare Versiegelung.

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Wir wollen sorgsam mit unseren Böden umgehen. Wir werden die Versiegelung weiter reduzieren und die Entsiegelung und die Nachnutzung von bereits versiegelten Flächen vorantreiben, um das 30 ha-Ziel zu erreichen. Dort, wo die Nutzung Eingriffe in Natur und Landschaft nach sich zieht, werden wir die Kompensationsvorschriften des Naturschutz- und des Baurechts überprüfen und Kompensationsmaßnahmen so weiterentwickeln, dass sie zielgerichtet sind.

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