Leerstehende Ladeneinheit mit Protestschildern in der Schönhauser Allee, Berlin. Bild: Laura Bornemann

Lokales Gewerbe als Bestandteil der soziokulturellen Quartiersstruktur schützen
von Laura Bornemann

Nutzungsmischung ist seit den 60/70er Jahren ein anhaltendes Leitbild der Stadtentwicklung. Doch die passende Mischung herzustellen und zu erhalten ist nicht einfach. Neben den Regelungen des Bau- und Emissionsrechts führt auch die Frage nach der Bezahlbarkeit von Mieten zu einer Selektion von potentiellen Nutzern und verfügbaren Räumen. Gerade in Ballungsräumen und Großstädten zeigen die Statistiken starke Steigerungen der Gewerbemieten an. Doch nicht nur gewinnorientierte Nutzungen wie Einzelhandel, Handwerk, Gastronomie und Dienstleistung sind auf die Anmietung von Räumen im Rahmen eines Gewerbemietvertrages angewiesen, sondern auch kulturelle und soziale Einrichtungen wie Vereine, Kindertagesstätten und Betreuungseinrichtungen.

Gewerbemietverträge sind im Vergleich zu Wohnungsmietverträgen wenig reglementiert und damit relativ frei verhandelbar, insbesondere im Hinblick auf Miethöhe und -dauer. Eine Neuregelung des Gewerbemietmarktes wurde bisher meist mit einem Verweis auf die Vertragsfreiheit zwischen “professionellen” Geschäftspartnern unterlassen. Diese Sichtweise trifft jedoch auf viele Gewerbemieter – v.a. soziale und kulturelle Einrichtungen – nicht zu. Vielmehr fällt es selbst geschäftlich agierenden Gewerbemietern häufig schwer, ihre Belange gegenüber den Vermietern zu vertreten, da es Ihnen an entsprechenden Rechten mangelt.

Wie ist das Gewerbemietrecht zu gestalten, um einen fairen Ausgleich zwischen den Interessen von Mietern und Vermietern zu schaffen? Mit welchen anderen Instrumenten schützen Sie – insbesondere soziale und kulturelle – Gewerbemieter zukünftig besser gegen die Unwägbarkeiten des Marktes?

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Die Corona-Pandemie verstärkt die seit langem im Gang befindlichen Strukturveränderungen in unseren Innenstädten und Stadtteilzentren und hat dafür gesorgt, dass das Thema „Zukunft der Innenstädte“ im Allgemeinen und das Thema „Gewerbemietrecht“ im Besonderen in den Fokus der Öffentlichkeit und der Politik gelangt sind. Betroffen von den Auswirkungen der Lockdowns sind alle Beteiligten: vom Einzelhandel über die Gastronomie und das Hotelgewerbe bis hin zu Museen, Theatern, Büchereien und Kinos.

Wir halten es für eine dringliche Aufgabe der Politik, die Städte dabei zu unterstützen, die Innenstädte und Stadtteilzentren lebendig zu halten und notwendige Nutzungsänderungen mitgestalten zu können. Deswegen haben wir uns nachdrücklich dafür eingesetzt, dass das neue Förderprogramm zur Unterstützung der Kommunen bei der Entwicklung innovativer Konzepte bei der Krisenbewältigung von ursprünglich 25 Millionen Euro auf nun 250 Millionen Euro angehoben werden.Außerdem wurde bereits im letzten Jahr das neue Programm ‚Lebendige Zentren‘ aufgelegt, das mit 300 Millionen Euro aus Städtebaufördermitteln des Bundes ausgestattet ist. Diese Finanzhilfen sollen für städtebauliche Gesamtmaßnahmen zur Stärkung, Revitalisierung und zum Erhalt von Stadt- und Ortskernen sowie historischen Altstädten eingesetzt werden. Damit wollen wir Innenstädte zu attraktiven und identitätsstiftenden Standorten für Wohnen, Arbeiten und Kultur machen und die Standortbedingungen für Gewerbe und Handel verbessern.

Hinzukommen muss eine Initiative zur Stärkung weniger zahlungskräftiger, inhabergeführter Einzelhandelsgeschäfte und Handwerksbetriebe im Gewerbemietrecht. Damit wollen wir die weitere Verdrängung von Kleingewerbetreibenden wie auch sozialer und kultureller Projekte aus den innerstädtischen Lagen verhindern. Wir wollen prüfen, inwieweit Regelungen des sozialen Mietrechts wie Kündigungsschutz, Mietspiegel und Mietpreisbegrenzung auf den Gewerbebereich übertragbar sind.

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Viele der sozialen Einrichtungen befinden sich bei kommunalen Trägern, die staatlich unterstützt werden. Wir wollen prüfen, inwieweit die staatliche Förderung hier optimiert werden könnte, damit soziale Einrichtungen vor Verdrängung geschützt werden bzw. Gewerberäume finden können. Zudem wollen wir prüfen, inwieweit die Lage-Klassifizierung von Gewerbeimmobilien sich auf Miethöhen auswirkt und ob Kommunen die Möglichkeit eröffnet werden sollte, daraus stadtentwicklungspolitischen Handlungsbedarf abzuleiten.
Wichtig ist, dass wir unsere Innenstädte, Stadtteilzentren und Ortskerne erhalten. Sie müssen nach der Corona-Krise neugestaltet und in ihrer Funktion als Orte der Begegnung und Vielfalt gestärkt werden. Deshalb werden wir einen Zukunftspakt für Innenstädte schmieden. Als wichtigen Teil des Pakts werden wir zusätzlich zu den bestehenden Städtebauprogrammen ein Förderprogramm „Attraktive Innenstadt“ auflegen, von dem auch kleinere Städte und Gemeinden profitieren.

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[Antwort Daniel Föst]

Eine Gewerbemietpreisbremse oder ähnliche Instrumente sind genauso wenig zielführend, wie es die Mietpreisbremse in Bezug auf Wohnraum ist. Denn bei jeder Marktregulierung folgt auch eine Marktreaktion. Bei zu starken Eingriffen in das Gewerbemietrecht würden Vermieter in Zukunft weniger Gewerbeflächen anbieten, indem sie bisherige Gewerbeflächen beispielsweise in Wohnraum verwandeln. Das Problem ist so nicht gelöst, sondern verlagert sich bestenfalls: Die Gewerbemieten mögen günstiger (gemacht) werden, aber kein Gewerbe findet mehr passende Räumlichkeiten. Eine solche Situation erstickt Unternehmergeist im Keim und verhindert neue und innovative Gewerbe- und Geschäftsideen. Selbstverständlich stellen viele bestehende Gewerbemieter im sozialen und kulturellen Bereich eine Bereicherung für ihre Umwelt dar und sollten daher nach Möglichkeit erhalten bleiben. Für dieses Ziel scheint aber eine individuelle Förderung dieser Einrichtungen sinnvoller als eine pauschale Regulierung für alle Gewerbe. Um die hohen Gewerbemieten dauerhaft in den Griff zu bekommen, sollten wir uns vielmehr darauf konzentrieren, neue Gewerbeflächen zu erschließen und den Markt zu entlasten. Zudem sehen wir durch die Corona-Pandemie und den wachsenden Möglichkeiten des Home-Office in einigen Bereichen auch gegenteilige Entwicklungen. Die Digitalisierung wird mobiles Arbeiten zudem beschleunigen. Gewerbeimmobilien werden in Zukunft deshalb anders genutzt werden. In diesem Bereich ist viel in Bewegung und diese kann man für kreative Lösungen nutzen.

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[Antwort Caren Lay]

Anders als für Wohnraum kennt das Bürgerliche Gesetzbuch bisher kein spezielles Mietrecht für Gewerbe und somit keinen speziellen Schutz für Gewerbemieterinnen und -mieter. Vertragsverhandlungen zwischen Vermieterinnen und Vermietern mit Gewerbetreibenden finden deshalb schon lange nicht mehr auf Augenhöhe statt. Die bestehende Rechtslage erlaubt es Vermieterinnen und Vermietern hingegen, bei angespannten Gewerberaummärkten, in weiteren Teilen die Vertragsbedingungen zu diktieren. Immer kürzere Vertragslaufzeiten werden nicht selten genutzt, um die Mieten zu erhöhen oder Gewerbetreibende vor die Tür zu setzen.

Bei kleinen Gewerbetreibenden steigt zunehmend die Angst, durch Kündigung oder drastische Mieterhöhungen die Existenzgrundlage zu verlieren. Aufgrund ihrer Spezialisierung und eines gewachsenen Kundenstamms kommt ein Geschäftswechsel in andere, günstigere Stadtteile häufig nicht in Frage. Insbesondere kleine Handwerksbetriebe verzichten vor dem Hintergrund dieser wachsenden Unsicherheit auf dringend notwendige Investitionen. Gerade in innerstädtischen Lagen müssen so immer häufiger kleine Läden und soziale Einrichtungen zahlungskräftigeren Unternehmen, oft internationalen Ketten, weichen. Auch soziale Einrichtungen wie Kindertagesstätten, Seniorentreffpunkte oder Jugendclubs werden aus ihren angestammten Vierteln aufgrund drastischer Mietsteigerungen verdrängt oder müssen schließen – nicht selten mit gravierenden Folgen für die betroffenen Sozialräume. In anderen europäischen Ländern (z. B. Frankreich, Österreich) bestehen dagegen seit langem Regelungen zum Schutz von Gewerbemieterinnen und -mietern. Eine geeignete Regulierung von Gewerbemieten ist jetzt auch in Deutschland dringend geboten. Die vielen kleinen Gewerbetreibenden brauchen einen besseren Kündigungsschutz, Regelungen für eine Mindestvertragslaufzeit, eine Begrenzung von Mieterhöhungen für Gewerberäume (Gewerbemietpreisbremse) und eine Ausweitung der Instrumente des Milieuschutzes, damit auch zukünftig nutzungsgemischte Stadtquartiere den sozialen Zusammenhalt stärken können.

Diese Reformen würden auch Kulturräume schützen, die ebenfalls von Verdrängungsdruck betroffen sind. Als LINKE wollen wir vielfältige Kunst und Kultur schützen und fördern.

Dazu gehören auch Musikclubs, denn Clubs sind Kultur. Die Neuansiedlung stellt sich Clubs in Innenstädten äußerst schwierig dar. In Neubaugebieten finden sie selten Berücksichtigung. Gleichzeitig fallen bestehende Clubs häufig räumlichen oder baulichen Umstrukturierungen zum Opfer. Kulturelle Räume gehören zu dem Erhaltenswerten der Städte. Sie bedürfen des besonderen Schutzes. Deswegen wollen wir Kulturschutzgebiete schaffen, um gewachsene Räume zu erhalten und Freiräume für Experimente und vielfältige Kultur zu fördern.

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[Antwort Daniele Wagner]

Gewerben wie Handwerksbetrieben, sozialen und Kulturprojekten sowie Clubs wollen wir mit einem Gewerbemietrecht und über die Baunutzungsverordnung eine zentrale Lage in den Städten bewahren und neu ermöglichen. Wir wollen stärkeren Mieterschutz gerade für kleine Gewerbemieter*innen und Kultureinrichtungen in angespannten Gewerbemietmärkten erreichen.

Wir wollen die gute Mischung von Arbeiten, Wohnen, Kultur und Freizeit in den Städten auch über die Baunutzungsverordnung und das Baugesetzbuch weiter stärken und dazu den Beitrag der städtischen Funktionsvielfalt und Nutzungsmischung zur Bewahrung und Förderung eines verträglichen Miteinanders von Wohnen und Arbeiten stärker hervor heben. Wir wollen die Ausweisung von Gewerbe- und Kulturerhaltungsgebieten ermöglichen und so Kultur, Handwerk, kleinteiliges Gewerbe und Handel gelungen besser vor Verdrängung schützen. Wir wollen ferner klarstellen, dass Musikclubs und Livemusikspielstätten Anlagen für kulturelle Zwecke sind.

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