Einen anderen Blick auf die Revolution im Zwischenraum warfen am Samstagnachmittag zwei Vertreter aus der Wirtschaft. Stefan Schröder von Siemens zeigte, dass im Zeichen des „Urban Millennium“ für Infrastrukturanbieter wie Siemens in den (Mega)Städten und Ballungsräumen ganz neue Herausforderungen und Geschäftsfelder entstehen. Siemens reagierte auf diese Erkenntnis mit der Gründung des neuen Sektors „Infrastructures & Cities“ in welchem auch das Projekt “The Crystal” eingegliedert ist. Bei diesem Projekt handelt es sich um eine, nach allen Regeln der Zertifizierungskunst gestalteten, intelligenten Architektur, in der der Siemens-Konzern unter dem Slogan „A Sustainable Cities Initiative“ darauf abzielt, die Öffentlichkeit und wichtige Entscheider zu erreichen, um sich selber als „Wissensträger im Stadtplanungs- und Infrastrukturdiskurs zu platzieren“. Obwohl von Siemens-Seite mehrfach betont wurde, nicht planerisch in den Stadtkörper einzugreifen, versucht das Unternehmen gleichzeitig mit dem Standort in einem runtergekommenen Teil von London einen Beitrag zur Stadtentwicklung beizutragen (so zumindest der Tenor aus der Präsentation). In der nachfolgenden Diskussion, in der durchaus auch kritische Fragen zu Eingriffen von Unternehmen in die Planung kamen, wurden diese stets verneint, das Argument, Siemens gestalte Raum und Räume durch die Art der Gestaltung von Sicherheits- und Transportsystemen ebenso. Sehr interessant war aber die vorgestellte Erkenntnis aus einer von Siemens beauftragten Studie (Green City Index) welche besagt, dass die Einbindung der Bevölkerung in Entscheidungsprozesse zu energieeffizienter Städten führt (vgl. PDF, S. 16).

Peter Kusterer stellt die IBM Smart Cities vor.

Mit der Smart City Initiative geht IBM noch einen Schritt weiter in Richtung digitale Revolution – Big Data und sich daraus ergebende Analyse- und Steuerungsmöglichkeiten waren für Peter Kusterer die großen Veränderungen, welche die zukünftige Stadtplanung beeinflussen werden. Ob Smart Grids, Echtzeitdaten zur Müllproduktion, Steuerung des Verkehrs auf Basis von Sensornetzwerken oder Umweltinformation – hier sieht IBM zukünftige Herausforderungen und Chancen. Städte versteht Kusterer vor allem als System von Subsystemen, welche die Probleme der Welt im Nukleus aufzeigen und verstehbar machen. Und warum ist gerade Stadtentwicklung so stark im Fokus? „Städte sind bei Entscheidungen schneller als ganze Staaten“ und somit lassen sich die aktuellen Probleme konzentriert finden und bearbeiten. Aber dies passiert nicht als Umwälzung sondern in vielen kleinen Schritten, die von unterschiedlichsten Akteuren und mit unterschiedlichsten Methoden von statten gehen. „Evolution statt Revolution“ wie Kusterer sagte.

Für Verwunderung und Widerspruch sorgte das vorgestellte Smarter Cities Challenge Programm, für das sich Städte bewerben können, um für ein Projekt auf drei Wochen begrenzte aber kostenlose Expertise von IBM zu bekommen. Zur Smarter Cities Challenge können sich Städte bewerben, in dem sie Projekte einreichen, die mit Hilfe von IBM, in max. drei Wochen lösbar sein sollen. Z.B. Dortmund hat sich bei der letzten Ausschreibung beworben und wird nun erste Smart City Deutschlands.

In der anschließenden Diskussion wurde Kritik geäußert, dass Verwaltung und Staat durch solche Projekte einen Kompetenzverlust erfahren. Die Moderatorin, Stadtplanerin Juliane Pegels spitzte dieses zu, in dem sie direkt fragte, ob die Stadtplanung einen so schlechten Job mache, dass nun solche Projekte die Städte retten sollen. Zu viele „neue, große Akteure treten auf die Bühne“, die sich damit auch in Planungsaufgaben einmischen. Vor allem sind dies nicht-kommunale Akteure, sondern Unternehmen und Beratungsgesellschaften, die den Stadtraum als Einnahmequelle erschließen wollen. Viele der Projekte sind in ihrer Intention nicht klar durchschaubar. So rügt Gerhard Gross (Stadtplanungsamt München) das Projekt von IBM „als eine gute Schulung für IBM in Sachen Probleme der Städte“. Der Konzern könnte so die Problemlagen analysieren und mit diesem tiefen Einblick Produkte entwickeln, die dann angepasst auf diese Probleme in den Städten zum Einsatz kommen könnten. Hierfür müssten die Städte dann aber bezahlen.

Dass die „Antriebskraft nicht die Verbesserung der Stadt, sondern finanzieller Gewinn ist”, ist per se nicht schlecht und wurde auch nicht generell abgelehnt.  Wichtiger sei vielmehr, dass dieser Sachverhalt richtig kommuniziert werde und Intentionen klarer herausgestellt werden, wie Prof. Rucht bemerkte. Dann können nämlich Konzerne ihre internationale Expertise einbringen und somit einen wirklich guten Beitrag für Stadtentwicklungsprozesse leisten, also eine wirkliche Win-Win-Situation schaffen.

Im Tagesfazit zeigte sich, dass die digitalen Technologien die Chance bieten, Stadtplanung zu demokratisieren und urbane Diskurse zu verändern. Die vielen vorgestellten und guten Beispiele (Kollaboration, Crowdsourcing, Open Data) zeigen, wo es diesbezüglich hingehen kann. Hierbei können und sollen Firmen ihren Teil dazu beitragen, aber gleichzeitig ist klar, dass Planung kommunale Hoheitsaufgabe bleiben muss.