Auf dem wöchentlichen Weg, im Zug raus aus Berlin über Wannsee, Potsdam etc. habe ich neulich den Berliner Liedermacher Reinhardt Mey gehört. Ich wunderte mich, als ich auf das Lied „Zwischen Kontrollpunkt Drewitz und der Brücke von Dreilinden“ stieß. Der Song ist neu (2024), erzählt aber von der Gefühlslage Meys auf dem letzten Stück der Transitautobahn nach Berlin vor über 30 Jahren und der Wendezeit im Allgemeinen. (Pop)kulturelle Rezeption der Transitgrenzübergänge – gibt es da noch weitere Beispiele?

Raststätte Dreilinden am Grenzübergang Drewitz-Dreilinden (Rainer G. Rümmler, 1969-73). Der neue Besitzer des Gebäudes, Autohaus König, möchte hier bald einen Treffpunkt für Autoliebhaber errichten. Die Sanierungsarbeiten haben bereits begonnen.
Raststätte Dreilinden am Grenzübergang Drewitz-Dreilinden in Berlin-Zehlendorf (Rainer G. Rümmler, 1969-73). Der neue Besitzer des Gebäudes, das Autohaus König, möchte darin bald einen Treffpunkt für Autoliebhaber eröffnen. Die Sanierungsarbeiten am Denkmal haben bereits begonnen. (Foto: Jonatan Anders)

Kurz zum Hintergrund: Die 4 Strecken von West-Berlin ins Bundesgebiet waren Lebensadern der Inselstadt. Sie endeten in Dreilinden im Süden (3 Strecken) sowie in Heiligensee im Norden. Die Erfahrungen, insbesondere der Westbürger:innen von Kontrolle und Schikane sind ein Thema, das wohl in jeder Familie von Transitreisenden bekannt ist.

Beispiel 01: Schuhvermarktung

Die militärischen Grenzübergangsstellen waren benannt nach dem militärischen Alphabet. Alpha (Helmstedt), Bravo (Dreilinden), Charlie (Berlin Friedrichsstraße), 2014 brachte Adidas die Sneakerkollektion „ZX 8000 Fall of the wall“, heraus, welche 25 Jahre nach Fall der Mauer, über farbliche Gestaltung an den ehemaligen Transitraum und die Grenzübergange erinnern sollte. In der Beschreibung auf dem Online Selling Portal  flexdog steht: „Der ZX8000 wurde auch zu einem Symbol für den Fall der Berliner Mauer, als die Ostberliner 1989 zum ersten Mal diese bunten Turnschuhe sahen.“ Zum einen ist dies zu hinterfragen, zum anderen ist die Gestaltung zum 25. Jubiläum des Mauerfalls bezogen auf Orte, die die Ostbürger nie zu Gesicht bekamen, nämlich die westdeutschen militärischen Grenzkontrollstellen. Dies ignoriert die Erfahrung ehemaliger Bürger der DDR der Transitübergänge als harte Grenzorte. Dennoch: Die Kollektion wird mittlerweile zu Sammlerpreisen verkauft.

Beispiel 02: Falschbezeichnungen

Kurz nach dem Einheitsvertrag ging der Berliner Maler Matthias Koeppel zur Grenzübergangsstelle Drewitz und malte diese. Das Bild, in Öl, von 1994, dokumentiert gut die nun verlassene Übergangsstelle. Ein Spaziergänger mit Hund schlendert im Mittelgrund über den ehemals von motorisiertem Verkehr eingenommen Raum. Koeppel nennt das Bild „Kontrollpunkt Dreilinden“. Dies ist im Ort als auch terminologisch falsch, genauso wie im Lied von Reinhardt Mey. Richtig wäre Grenzübergangsstelle Drewitz.

Beispiel 03: Ausblendung des restlichen Transitraums

In der Belletristik finden sich weitere Beschreibungen der ehemaligen Transitautobah. Beispielsweise beschreibt Sven Regener in seinem Roman „Der kleine Bruder“ die Transitstrecke als „dunklen Tunnel“, an deren Ende eine „hellstrahlende Grenzübergangsstelle auftauchte wie ein frisch gelandetes Raumschiff“. Der dunkle Tunnel durch die DDR endet in Dreilinden, vielleicht erklärt dies die Fixierung auf diesen Ort der Berliner Geschichte. Dreilinden wird zum Bahnhof, welcher den Rest der Transitstrecke überstrahlen kann.

Mein Fazit der drei Beispiele

Es zeigt sich in der kulturellen Rezeption vor allem die westdeutsche Erinnerung. Die harte Grenze wird nicht betrachtet, wohl auch, da sie nicht entsprechend vermarktbar ist. Die östliche Grenzübergangsstelle wird falsch bezeichnet, sowie der Rest des Transits ausgeblendet. Um einen dualistischen Blick über den ehemaligen Grenzübertritt im Transit zu gewinnen, empfehle ich allen Lesern eine Radtour auf dem Mauerweg nach Dreilinden. Hier gibt es auf der ehemaligen Grenzübergangsstelle Drewitz ein sehr kleines Museum im ehemaligen Kontrollturm. Das Museum ist sonntags von 11:00-16:00 geöffnet.

PS: Reinhardt Mey singt am Ende des Liedes von einem pinken Kran, welcher das Panzerdenkmal ersetze. Dies ist nicht ganz korrekt, denn es handelt sich definitiv nicht um einen Kran. Was dort zu finden ist, überlasse ich den Leser:innen zum Herausfinden auf der Fahrradtour.