Im Nachdenken darüber, was im Alltag unter Dichte verstanden wird, kommt man zu unterschiedlichen Ergebnissen. Manch einer denkt an den Physikunterricht und die dort gebräuchliche Dichtedefinition, ein anderer vielleicht an die Bevölkerungsdichte des Erdkundeunterrichts und der Städtebauer sicherlich an die bauliche Dichte seines Entwurfs. Dies alles sind legitime Zugänge, die sich im Rahmen der jeweiligen Disziplinen entwickelt haben und deren Verwendung sich über die Jahre bewährt hat. Gerade im Städtebau sind Art und Maß der baulichen Nutzung durch die Baunutzungsverordnung zu zentralen Stellschrauben geworden, anhand derer die Entwicklung der Städte strukturiert und geordnet werden soll.

Nur selten wird dieser Alltagsgebrauch aber hinterfragt und es kommt der Arbeit von Nikolai Roskamm eine besondere Bedeutung zu, dass sie sich diesem scheinbar etablierten Begriff annimmt und ergründet, welche Ideengeschichte dem „Konstrukt Dichte“ eigentlich zugrunde liegt.


Hierfür wird sich einer dekonstruktivistischen Herangehensweise bedient, die anhand einer transdisziplinären Studie offenlegt, wie und mit welchem Ziel der Begriff Dichte in den Sozial-, Planungs- und Bevölkerungswissenschaften genutzt wird. In die Analyse einbezogen werden dabei Wissenschaften wie die (Stadt-)Soziologie, Geographie, Bevölkerungswissenschaft und Sozialpsychologie ebenso wie die anwendungsbezogenen Professionen Raumplanung und Städtebau. Dabei gelingt es, die unterschiedlichen Diskurse zur Dichte neu zusammenzuführen und über Disziplingrenzen hinweg Verbindungen aufzuzeigen. Zentraler Bezugspunkt ist dabei jeweils die Bevölkerungsdichte, die als „das Verhältnis von einer Anzahl von Menschen zu einer Flächeneinheit (bezogen auf einen konkreten Ort)“ verstanden wird.

(Bevölkerungs-)Dichte, so zeigt Nikolai Roskamm auf, besitzt eine im Begriff innewohnende Ambivalenz, da Dichte zwar vielfach mit einfachen Mitteln (mathematisch) beschrieben werden kann, aber ohne ihren spezifischen Bedeutungszusammenhang gleichsam inhaltlos ist. Erst wenn man das Augenmerk auf die Ziele und Ideen dahinter richtet, offenbart sich die Vielfalt der normativen Kontexte in die Dichte über die Zeit eingebettet wird. Es ist spannend, diese Zusammenhänge in der Publikation epochen- und disziplinübergreifend aufgezeigt zu bekommen und es eröffnen sich anhand der dargestellten Entwicklungslinien weitere Fragestellungen zur heutigen Dichteverwendung. Indem explizit zur Disposition gestellt wird, ob die Dichte der Baunutzungsverordnung noch zeitgemäß ist – da sich das Denken über Raum mittlerweile weiterentwickelt hat und sich damit auch der klassische Flächenbezug der Dichte verändert – , werden die analysierten Debatten fortgeschrieben und in einen neuen Diskurs überführt.

Es wäre spannend, solch einen Diskurs weiterzuverfolgen, zielt er doch direkt auf die normativen Grundlagen des institutionalisierten Städtebaus der BRD und kann auf unterschiedlichen Ebenen mit anderen Fragestellungen verknüpft werden. Gerade die Kennzeichnung der Dichte als „räumlich-sozialer Hybrid“ macht diese zum optimalen Träger einer solchen Querschnittsaufgabe und zum passenden Ausgangspunkt weiterführender Gedanken.

Dichte. Diskurse zu Stadt und Raum wird im Rahmen von STADTTEXTE urbanoSALON #1 am 05. Oktober 2011 um 20:30 Uhr in der Buchhandlung Pro QM präsentiert. Alle Interessierten sind herzlich willkommen.