Ein Leserbrief an die Autor:innen und den Fotografen des Buches Das Garagenmanifest.

Bemaltes Garagentor in Berlin

Liebe Luise Rellensmann, lieber Jens Casper, lieber Martin Maleschka,

herzlichen Dank dafür, dass Ihr dieses schöne Buch zur Garagenkultur in der DDR gemacht habt! Da werden einige persönliche Erinnerungen wach an längst vergangene Zeiten, als es beispielsweise im Prenzlauer Berg noch Garagenhöfe gab. Ganz verwildert war diese kleine Garagensiedlung, die sich Anfang der 2000er auf der Ecke Stargarder Straße / Senefelder Straße befand. Ein Versteck, ein Rückzugsort für spontane Nutzungen, wahrscheinlich deswegen mittlerweile ein aufgeräumter Stadtplatz mit Tischtennisplatten für die neue Jugend im Bezirk. Und auch einige der Cottbuser Garagenhöfe, die im Fokus Eurer Forschungen stehen, sind mir durch Euer Buch nochmals vor Augen gekommen.

Im zweiten Moment fiel mir dann ein, dass ich solche Garagen, zumindest in der von Euch beschriebenen städtebaulichen und architektonischen Erscheinung, auch aus Arbeitersiedlungen der Nachkriegsjahrzehnte in westdeutschen Kleinstädten kenne. Interessant wäre hier mal ein direkter Vergleich, insbesondere sozial und kulturell gesehen.

Bemaltes Garagentor in der Fliegersiedlung in Berlin

Im Westen findet sich allerdings wesentlich häufiger eine Garagenästhetik, die ganz gegensätzlich zu der von Euch beschriebenen ist: das selbst bemalte Garagentor. Während, wie Ihr schreibt, sich die Garagennutzer*innen in den ostdeutschen Siedlungen um ein einheitliches Bild der Garagenfront bemühen, was sich beispielsweise in der Wahl ähnlicher Anstrichfarben zeige, wird in den westdeutschen Einfamilienhaussiedlungen oftmals der Wunsch nach dem individuellen Ausdruck am Garagentor deutlich. Ich habe willkürlich in einer innerstädtischen Berliner Reihenhaussiedlung ein paar Beispiele herausgegriffen. Zugegeben, das sind nicht die repräsentativsten Garagentormalereien. Vermutlich hat hier die ganze Familie als gemeinsame sonntägliche Freizeitaktion gemalt – prägnanter und weiter verbreitet sind nämlich die fotorealistischen Darstellungen, die teilweise im Baumarkt erworben, teilweise auch bei Künstler*innen beauftragt werden können. Wer selbst malen möchte wird seit 1990, offenbar der Hochphase der Garagenmalerei (?), auch durch ein Buch unterstützt:

Buch Garagentore selbst bemalenQuelle: ZVAB

Zwei Motive dominieren das illusionistisch bemalte Garagentor: das besondere Auto – meist luxuriös, oft ein Oldtimer, manchmal als Irritation auch ein LKW oder ein landwirtschaftliches Fahrzeug – und fototapetenähnliche Naturdarstellungen. Beides verrät vielleicht ein bisschen was über die unerfüllten und vielleicht auch unbewussten Wünsche der Garagenmaler*innen.

In Eurem “Garagenmanifest“, das im letzten Herbst bei Park Books erschienen ist, habt Ihr die “Garagen als repräsentative Beispiele einer DDR-Alltagsarchitektur und Biotope der Alltagskultur des verschwundenen Staates” gewürdigt. Das kleine und reich bebilderte Buch ist mit wunderbarer Leichtigkeit geschrieben, sowohl die wissenschaftlichen Essays als auch die einzelnen Case Studies. Hinzu kommen die Zeichnungen einzelner Garagensiedlungen, die die städtebauliche Struktur verdeutlichen. Ein gutes Buch regt immer an und daher wirft Euer Manifest so einige weitere Fragen zur Garage auf, auch und gerade im westdeutschen Spiegel. Da möchte ich gerne noch mehr lesen, weitermachen, weiterdenken.

Vielen Dank für die Anregungen und herzliche Grüße!


P.S.: Meine auf die Schnelle geknipsten Berliner Beispiele sind wirklich nicht die besten, Berlin ist eben doch immer ein bisschen unrepräsentativ für die Bundesrepublik. Daher rufe ich unsere Leser*innen herzlich auf, uns bis 24. Februar die schönsten Garagentore Deutschlands zuzusenden. Eine Auswahl der Bilder werden wir dann auf dem Blog und auf Instagram @urbanophil_verlag zeigen. Wir sind gespannt und freuen uns auf Eure Einsendungen an info@urbanophil.net.



Das Garagenmanifest
Herausgegeben von Jens Casper und Luise Rellensmann. Mit einem Bildessay von Martin Maleschka
1. Auflage, 2021
Broschiert
176 Seiten
18 farbige und 80 sw Abbildungen, Zeichnungen und Lagepläne
13 x 20 cm
ISBN 978-3-03860-240-8
Park Books, 2021
25 €