Initiative für den Erhalt nachkriegsmoderner U-Bahnarchitektur
Die Berliner U-Bahn ist ein architektonisches Gesamtkunstwerk, das 100 Jahre Bau- und Architekturgeschichte im wahrsten Sinne des Wortes erfahrbar macht. Durch unsachgemäße und im Ergebnis unbefriedigende Umgestaltungspolitik der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) ist dieses Gesamtkunstwerk in den vergangenen Jahren massiv beeinträchtigt worden. Die Initiative, die von dem Architekturhistoriker Ralf Liptau, der Stadtplanerin Verena Pfeiffer-Kloss und dem Architektur- und Kunsthistoriker Frank Schmitz getragen wird, forderte im Jahr 2016 vom Berliner Senat – namentlich den Senatsverwaltungen für Kultur und Europa sowie für Stadtentwicklung – den Einsatz für eine konsistente Planung im Sinne einer nachhaltigen Modernisierung der Berliner U-Bahnhöfe. Dabei kam es darauf an, denkmalwürdige Qualitäten der Bauten zu berücksichtigen und die aus Steuergeld finanzierten U-Bahnhöfe als werthaltigen Ressource sowohl nachhaltig zu bewahren als auch weiter zu entwickelt.
Das Engagement der 2016 gegründeten Initiative hat mit dazu geführt, dass das Landesdenkmalamt Berlin in den Jahren 2017 und 2018 22 U-Bahnhöfe der Nachkriegszeit in die Berliner Denkmalliste eintragen konnte.
Eine Chronologie der Arbeit der Initiative finden Sie hier.
Auf bald in Berlin!
Februar 2019
Am Ende könnte es so voll werden wie in einer verspäteten Berliner U-Bahn während des Berufsverkehrs: Knapp 4.500 Follower haben bei Facebook bereits ihr Interesse an der Tagung „Underground Architecture Revisited“ bekundet, die wir als Initiative Kerberos vom 20. bis 23. Februar gemeinsam mit ICOMOS Deutschland, dem Landesdenkmalamt Berlin und der Berlinischen Galerie in eben jener Berlinischen Galerie veranstalten. Medienpartnerin ist die Onlineplattform moderneRegional und das Programm gibt es hier.
Wir sind dann mal kurz stolz. Denn die Resonanz bestätigt uns, dass U-Bahnhofs-Architektur weit mehr ist als bloßer Funktionsbau – gerade in Berlin. An drei Konferenztagen werden wir die Berliner-U-Bahnhofsarchitektur der Nachkriegszeit gemeinsam mit Kolleg_innen aus ganz Deutschland und dem europäischen Ausland „vernetzen“ und ihren gemeinsamen architekturhistorischen Kontext debattieren.
Am vierten Konferenztag steht dann Berlin wieder im Fokus: Denn parallel zur Tagung hat die Berlinische Galerie – mit uns als wissenschaftlichen Berater_innen – die Ausstellung „Underground Architecture“ zusammengestellt, in der die U-Bahnhofsplanungen in West-Berlin im Zentrum stehen. Neben zahlreichen Originalzeichnungen aus den Entwurfsphasen sowie Fotografien wird es vor allem ein Highlight zu bestaunen geben: Den Kopf der von Waldemar Grzimek entworfenen Kerberos-Skulptur, die seit den 1970er-Jahren vom Zwischengeschoss des U-Bahnhofs Rathaus Steglitz aus über die Unterwelt gewacht hat – und damit für uns nicht nur namens- sondern vor allem beispielgebend war.
Gelistet!
Kerberos jubelt: Das Landesdenkmalamt Berlin hat 13 weitere U-Bahnhöfe der Nachkriegsjahrzehnte in die Denkmalliste aufgenommen. Damit ist eine der Kernforderungen erfüllt, die wir in unserem offenen Brief von 2016 zum sachgerechteren Umgang mit diesen unterirdischen Kleinoden formuliert hatten. Bereits 2017 waren neun Stationen der 1970er und 80er gelistet worden, so dass wir uns inzwischen über insgesamt 22 denkmalgeschützte Bahnhöfe freuen können. Der Weg zu ihrer wertschätzenden und mit Sachverstand betriebenen Instandsetzung und Modernisierung dürfte damit geebnet sein.
Bei den insgesamt 22 geschützten U-Bahnhöfen aus den Jahren 1960-1984 handelt es sich um folgende Stationen:
- U-Bahnhof Parchimer Allee (Werner Düttmann, 1960-63, Eröffnung 1963)
- U-Bahnhof Alt-Tempelhof (Bruno Grimmek, 1961-62, Eröffnung 1966)
- U-Bahnhof Westphalweg (Rainer G. Rümmler, 1963-64, Eröffnung 1966)
- U-Bahnhof Alt-Mariendorf (Rümmler, 1962-64, Eröffnung 1966)
- U-Bahnhof Möckernbrücke (U7) (Rümmler, 1962-65, Eröffnung 1966)
- U-Bahnhof Zwickauer Damm (Rümmler, 1967-69, Eröffnung 1970)
- U-Bahnhof Kleistpark (Rümmler, 1967-69, Eröffnung 1971)
- U-Bahnhof Fehrbelliner Platz (U7) (Rümmler, 1967-70, Eröffnung 1971)
- U-Bahnhof Schloßstraße (Ursulina Schüler-Witte/Ralf Schüler, 1967-74, Eröffnung 1974)
- U-Bahnhof Eisenacher Straße (Rümmler, 1968-70, Eröffnung 1971)
- U-Bahnhof Nauener Platz (Rümmler, 1969-1975; Eröffnung 1976)
- U-Bahnhof Konstanzer Straße (Rümmler, 1969-73, Eröffnung 1978)
- U-Bahnhof Richard-Wagner-Platz (Rümmler, 1973-78, Eröffnung 1978)
- U-Bahnhof Jungfernheide (Rümmler, 1974-77, Eröffnung 1980)
- U-Bahnhof Mierendorffplatz (Rümmler, 1974-77, Eröffnung 1980)
- U-Bahnhof Siemensdamm (Rümmler, 1977-78, Eröffnung 1980)
- U-Bahnhof Rohrdamm (Rümmler, 1975-1977, Eröffnung 1980)
- U-Bahnhof Paulsternstraße (Rümmler, 1975-1983, Eröffnung 1984)
- U-Bahnhof Haselhorst (Rümmler, 1981, Eröffnung 1984)
- U-Bahnhof Zitadelle (Rümmler, 1978-81, Eröffnung 1984)
- U-Bahnhof Altstadt Spandau (Rümmler, 1979-83, Eröffnung 1984)
- U-Bahnhof Rathaus Spandau (Rümmler, 1975-83, Eröffnung 1984)
Rettet Hollywood den Rümmler?
17.02.2018
Vielleicht kommt die Rettung für Berlins Untergrund jetzt aus Hollywood: Seit über die Schließung der Fußgänger_innenunterführung zwischen Zentralem Omnibusbahnhof (ZOB) und Internationalem Congresscentrum (ICC) in Berlin-Charlottenburg diskutiert wird, richten sich die Augen auf die von Rainer Rümmler entworfenen poppigen Untergrundbauten im ehemaligen West-Berlin. Das Onlineportal moderneRegional hat dem Tunnel unlängst einen größeren Beitrag gewidmet, Ende März plädierte Peter Richter in der Süddeutschen Zeitung für den Erhalt. Und warum Hollywood? Die unterirdische Passerelle ist mit ihren quietschig-orangefarbenen Pfeilern und Wänden sowie den kreisrunden braunen Leuchten an der Decke Schauplatz zahlreicher internationaler Filmproduktionen gewesen. Damit beweist sich, was wir als „Initiative Kerberos“ (siehe Reiter oben rechts) schon längst sagen: Rümmlers Bauten sind Berlin. Rümmlers Bauten sind pop!
Die Argumente für die Erhaltung des Fußgänger_innentunnels taugen erst recht für Rümmlers zahlreiche Westberliner U-Bahnhöfe aus den 1960er und 70er Jahren. Der U-Bahnhof Yorckstraße – bis 2016 „mittsiebzigerorange wie eine Packung Nimm 2“ (Richter) – ist bereits verloren. Doch an anderen Stellen gibt es noch einiges zu retten von Rümmlers Bahnhöfen in „selbstbewusster Farbigkeit“. Der unterirdische Farbenreigen führe dazu, so Richter, dass das U-Bahnfahren „unter weiten Teilen Westberlins immer ein bisschen an das Yellow Submarine von den Beatles erinnert.“ Weiterhin völlig ungeschützt der BVG-Abrisswut ausgeliefert sind etwa die Pop-Bahnhöfe Konstanzer Straße, Richard-Wagner-Platz, Nauener Platz sowie der Eingangspavillon am Bahnhof Halemweg. Die Wiederherstellung des (inzwischen sogar denkmalgeschützten) Bahnhofs Schloßstraße kommt seit Monaten nicht voran.
Wenn Richter in der Süddeutschen Zeitung zur Rettung des ICC-Tunnels aufruft, rufen wir (weiterhin) und umso lauter hinterher: Lasst auch die U-Bahnhöfe leben! Berlin ist nicht nur cool in Hollywood.
Tempo jetzt!
Oktober 2017
Lange gab’s keine Neuigkeiten aus dem Berliner Untergrund – und schon gar keine guten. Denn das von Berlins Kultursenator Klaus Lederer vor gut einem Jahr angekündigte Verfahren zur Unterschutzstellung weiterer nachkriegsmoderner U-Bahnhöfe: es stockt. Als Lederer Anfang 2017 die postmodernen U-Bahnhöfe aus den 1980ern in Spandau in die Denkmalliste hat eintragen lassen, kündigte er die Prüfung weiterer Unterschutzstellungen an. Vor allem die Bahnhöfe der 1960er und 70er Jahre sollten dabei Beachtung finden. Doch ein Ergebnis dieser Prüfung gibt es bislang nicht, kein weiterer Bahnhof wurde seither geschützt. Stattdessen werden von Seiten der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) weiter Fakten geschaffen: Der U-Bahnhof Lipschitzallee ist inzwischen entkernt, am U-Bahnhof Parchimer Allee wird derzeit der Boden ausgetauscht, der U-Bahnhof Blissestraße soll wohl in den kommenden Wochen unter den Presslufthammer kommen, die entsprechenden Arbeiten werden hier gerade vorbereitet. Bei allen drei Bahnhöfen handelt es sich um Bauwerke, die gemäß den bereits vorliegenden Denkmalgutachten noch im vergangenen Jahr als unbedingt schützenswert eingestuft worden sind.
Die politisch verantwortlichen Berliner Senatsverwaltungen – Kultur, Wirtschaft und Verkehr – scheinen sich in der Frage der Unterschutzstellungen ineinander verkeilt zu haben. Die BVG freut sich derweil und reißt munter weiter ab. Das Urheberrecht wird dabei weiter konsequent mit Füßen getreten: Inzwischen haben sich die Urheberrechtsinhaber aller (!) seit den frühen 1960er Jahren entstandenen Bahnhöfe sowohl an die BVG als auch an Senatsbaudirektorin Lüscher gewandt und die Achtung ihrer Rechte eingefordert. Die BVG-Bauabteilung hat hierauf bisher nicht nennenswert reagiert.
Wir als Initiative Kerberos fordern vor diesem Hintergrund, dass die letzten elf noch weitgehend in Originalsubstanz erhaltenen U-Bahnhöfe der Nachkriegszeit endlich in die Denkmalliste eingetragen und damit geschützt werden. Die inzwischen sei zwei Jahren andauernde Diskussion um den Umgang mit den U-Bahnhöfen der Nachkriegsmoderne könnte mit der schleunigen Unterschutzstellung folgender elf Einzelbauwerke endlich zu einem konkreten Ergebnis geführt werden:
Westphalweg U6 (Eröffnung 1966)
Alt-Mariendorf U6 (1966)
Parchimer Allee U7 (1963)
Möckernbrücke U7 (1966)
Zwickauer Damm U7 (1970)
Kleistpark U7 (1971)
Eisenacher Straße U7 (1971)
Konstanzer Straße U7 (1978)
Richard-Wagner-Platz U7 (1978)
Jungfernheide U7 (1980)
Nauener Platz U9 (1976)
Mit der Aufnahme dieser Stationen in die Berliner Denkmalliste und der damit hoffentlich sichergestellten Bewahrung wäre je ein Bahnhof beispielhaft für jede Gestaltungsphase gerettet und damit auch die historische Dimension des U-Bahnausbaus in der Zeit des Kalten Krieges in Berlin weiter ablesbar. Was für ein Signal könnte das im Europäischen Kulturerbejahr 2018 sein – und was für ein Signal wäre es, wenn es nicht dazu käme!
Die einzige DDR-U-Bahnlinie soll unter Schutz!
Man muss nur lange genug warten: irgendwann kommt alles wieder! Im Moment sind die 80er in Berlin schwer angesagt. Nachdem Kultursenator Klaus Lederer (Die Linke) im März dieses Jahres bereits die postmodernen Bahnhöfe nach Entwürfen von Rainer Rümmler unter Denkmalschutz gesetzt hat, sollen nun die 80er-Jahre Stationen aus dem Osten der Stadt folgen. Wie die Berliner Zeitung berichtet, habe die Kulturverwaltung die Aufnahme von neun Stationen in die Berliner Landesdenkmalliste im Abgeordnetenhaus angekündigt. Bei den Bahnhöfen zwischen Tierpark und Hönow (außer Kienberg – Gärten der Welt) handelt es sich um die einzigen in der DDR gebauten U-Bahnhöfe überhaupt. Auch das Online-Magazin moderneRegional hat berichtet. Und wer nochmal einen Eindruck von der Linie bekommen möchte, fahre doch zeitgenössisch per Youtube mit!
Wir als Initiative freuen uns natürlich über die Entwicklung, fordern aber umso nachdrücklicher: Die Unterschutzstellung der Stationen aus den 60er- und 70er-Jahren muss nun endlich folgen! Ansonsten ergibt sich auf der Berliner Denkmalliste eine unentschuldbare Lücke: Zwischen den „historischen“ Stationen der Vorkriegszeit und den Postmodernen der 1980er-Jahre entstünde ein Bruch, dem genau diejenigen Stationen zum Opfer fallen würden, die für den Westberliner U-Bahnbau besonders prägend waren. Weder der breiten Öffentlichkeit noch der Fachwelt wäre dies sinnvoll zu vermitteln. Mehr noch: Die jetzt frisch geschützten Bahnhöfe erschließen sich in ihrer Gestalt nur dann, wenn die älteren Bahnhöfe – und damit das Frühwerk Rainer Rümmlers – auch verlässlich erhalten bleiben.
Die deutsche Bauzeitung fährt mit Kerberos auf der U7
26. Mai 2017
Ralf Liptau und Verena Pfeiffer-Kloss laden in der db Deutsche Bauzeitung zu einer Fahrt mit der U7 durch die West-Berliner Architekturgeschichte ein. Noch kann man diese Fahrt auch in der Realität erleben. Der Artikel in der deutschlandweit renommierten Zeitschrift macht erneut darauf aufmerksam, dass dieses Erbe gefährdet ist – und dass der Erhalt auch über Berlin hinaus von architektur-, kunst- und stadthistorischem Interesse ist.
Rettet den Rümmler!
18.5.2017
Berlin, unterirdisch!
7.4.2017
Die U-Bahn macht Station in der Deutschen Bauzeitung! in der April-Ausgabe der db ist soeben ein Kommentar zur Debatte um den Umgang mit nachkriegsmodernen U-Bahnhöfen erschienen. Unser Mit-Kerberos Frank Schmitz fordert darin ganz im Sinne unserer Initiative, dass nach der erfolgten Unterschutzstellung einiger Bahnhöfe aus den 1980er-Jahren nun dringend diejenigen aus den 60er- und 70er-Jahren folgen müssen. Sonst drohe ihr gestalterischer Totalverlust.
In der Mai-Ausgabe der db wird ein weiterer großer Artikel über Berlins einzigartige Unterwelt erscheinen.
Die U-Bahn-Presse
Die Diskussion um Umbau oder Schutz nachkriegsmoderner Bahnhöfe wird endlich auch öffentlich in der Presse geführt. Ende März hat Kultursenator Klaus Lederer die Unterschutzstellung von sieben U-Bahnhöfen aus den 1980er-Jahren in einer Pressekonferenz im U-Bahnhof Paulsternstraße bekanntgegeben, Landeskonservator Jörg Haspel hat gleichzeitig auch weitere Unterschutzstellungen angekündigt. Eine kleine Presseschau.
Wie immer war das Onlineportal moderneRegional ganz vorn mit dabei, hat am 25. März über die Unterschutzstellung berichtet und sie – natürlich – begrüßt. Auch der Tagesspiegel und die Morgenpost waren flink und haben die Unterschutzstellung schon vor der Pressekonferenz vermeldet.
Am Tag nach dem Pressetermin war die Unterschutzstellung eines der dominierenden Themen der Hauptstadtpresse. Es berichteten der rbb, der Berliner Kurier und die Berliner Zeitung in teilweise sehr ausführlichen Artikeln. Sogar bei der Deutschen Welle und in der Onlineausgabe des Focus war der Denkmalschutz der Bahnhöfe Thema. In allen Berichten war der Tenor grundsätzlich positiv, U-Bahnarchitekt Rainer G. Rümmler wurde als großer Vertreter der Postmoderne gefeiert, die Unterschutzstellung wurde in den Berichterstattungen nicht infrage gestellt. In den Folgetagen berichteten auch noch die Berliner Woche, das Onlineportal rottenplaces.org und das internationale Onlineportal citylab.com.
Der Tagesspiegel hat weiter recherchiert und sich nach den angekündigten weiteren Unterschutzstellungen erkundigt. Dass künftig auch einige der U5-Bahnhöfe in Hönow – also den einzigen je in der DDR gebauten U-Bahnhöfen überhaupt – unter Schutz gestellt werden sollen, fanden die Kommentatoren dort nicht wirklich nachvollziehbar. Über Schönheit, da stimmen wir zu, lässt sich streiten. Über historischen Zeugniswert in der Regel nicht. Umso schöner, dass sich trotzdem eine rege Debatte bei den Leser_innenkommentaren entwickelt hat. Dass U-Bahnhöfe Identifikationsorte sind, die die Menschen angehen und interessieren, ist damit einmal mehr bewiesen.
Besonders freut uns bei all dem aber natürlich eines: Dass auch die BVG sich inzwischen über die Unterschutzstellungen „freut“ und „stolz“ auf ihre historischen Bahnhöfe ist. So zumindest der O-Ton der Chefin. Wir beobachten diese Freude weiter.
Mind the Gap!
31.3.2017
Mit der Aufnahme von sieben U-Bahnhöfen der Linie 7 in die Denkmalliste (vgl. Beitrag von Verena Pfeiffer-Kloss) hat Berlins Kultursenator Klaus Lederer einen Teil der Forderungen umgesetzt, die wir als Initiative „Kerberos“ im vergangenen Jahr formuliert hatten. Sieben U-Bahnhöfe aus den 1980er-Jahren sind damit vor der zerstörenden Umbauwut der BVG-Bauabteilung geschützt. Das Presseecho ist äußerst positiv, unter anderem berichteten die Berliner Zeitung, die Berliner Morgenpost, der Tagesspiegel, die Deutsche Welle und der RBB.
Die Unterschutzstellung der postmodernen Bahnhöfe in Spandau ist allerdings nur ein Etappensieg. Auf der Pressekonferenz am 28. März kündigte Landeskonservator Jörg Haspel an, dass die Aufnahme weiterer U-Bahnhöfe der Nachkriegszeit in die Berliner Denkmalliste derzeit vorbereitet wird – was wir als Initiative natürlich begrüßen und nachdrücklich fordern. Denn trotz der Unterstützung unserer Kritik durch die Architekturgeschichtsprofessor_innen aller vier Berliner Universitäten, durch Kultursenator Klaus Lederer, die Senatsbaudirektorin Regula Lüscher, die Berliner Architektenkammer und den Bund Deutscher Architekten Berlin (BDA) haben die Berliner Verkehrsbetriebe bisher keinerlei Willen zur inhaltlichen Auseinandersetzung gezeigt. Ein behutsamer Umgang mit der historischen Bausubstanz ist ganz offensichtlich nur unter Zwang – also durch den Denkmalschutz – zu erreichen.
Bisher stehen insgesamt 88 Berliner U-Bahnhöfe unter Schutz, der übergroße Teil davon stammt aus den Vorkriegsjahren. Um die historische „Lücke“ zwischen diesen frühen Stationen und den frisch geschützten Bahnhöfen aus den 80er-Jahren zu schließen, müssen jetzt dringend Stationen aus den 1960er- und 70er-Jahren geschützt werden. Auch die wenigen zur DDR-Zeit entstandenen U-Bahnhöfe auf der U-Bahnlinie 5 sind bisher nicht gelistet.
Darüber hinaus bleibt es unumgänglich, dass die BVG ihre Umbaupraxis grundlegend revidiert. Denn auch die nicht geschützten Bahnhöfe verdienen Respekt bei der Sanierung. In einem Brief an Senatsbaudirektorin Regula Lüscher und die Berliner Verkehrsbetriebe fordert auch der Vorstand des BDA einen behutsamen Umgang mit dem infrastrukturellen Erbe Berlins. Der Architektenverband bietet seine Unterstützung bei der Gründung eines Beratergremiums an, das der BVG bei der Sanierung der U-Bahnhöfe zur Seite stehen soll. Die Einrichtung dieses Gremiums hat Senatsbaudirektorin Regula Lüscher mit der BVG schon im vergangenen Jahr verabredet – passiert ist bisher allerdings nichts.
Die aktuellen Unterschutzstellungen sind ein hoffnungsvoller Schritt und ein politisches Signal: Der Koalitionsvertrag des neuen Senats kündigt einen behutsamen Umgang mit dem infrastrukturellen Erbe Berlins an, wobei landeseigene Unternehmen eine besondere Vorbildrolle einnehmen sollen. Im Umgang mit den U-Bahnhöfen der Nachkriegsmoderne könnte damit eine Trendwende vollzogen sein, die einzigartigen Stationen dauerhaft als Identifikationsorte zu bewahren.
U-Bahnhöfe von Siemensdamm bis Rathaus Spandau unter Schutz
28. März 2017
Ein voller Erfolg – 7 postmoderne U-Bahnhöfe stehen nun unter Schutz und können eine behutsamere Pflege erwarten: urbanophil berichtete. Dies ist allerdings weniger als die halbe Miete, denn die Pop Architektur ist und bleibt stark gefährdet, wie die Initiative auf urbanophil darstellt. Es heißt weiterhin dranbleiben, die Unterstützung von BDA, Architektenkammer und die laufenden Prüfungen des Landesdenkmalamts lassen hoffen. Die Initiative freut sich übrigens besonders über den weisen, kenntnisreichen und gedanklich offenen Beitrag von Nikolas Bernau in der Berliner Zeitung. „Also sehen wir hin und entdecken Rümmlers Werk neu“ schreibt er. Davon fühlen wir uns angesprochen.
U-Bahnhöfe Schlossstraße und Fehrbelliner Platz auf der Denkmalliste
26. Januar 2017
Großer Erfolg! Die U-Bahnhöfe Schlossstraße (inkl. Bierpinsel) und Fehrbelliner Platz stehen nun unter Denkmalschutz. „Sicherlich auch Ihrer Initiative zu verdanken“, ließ Senatsbaudirektorin Lüscher ausrichten. Wir freuen uns über die Unterschutzstellung – und bleiben dran. Denn es sind noch einige wertvolle Bahnhöfe gefährdet.
U-Bahn im Ohr – Beitrag im rbb info-Radio
9. Dezember 2016
Das info-Radio des rbb berichtete über die aktuelle Diskussion um die Zerstörung der nachkriegsmodernen U-Bahnhöfe in Berlin. Zu Wort kommen BVG, Senatsbaudirektorin Regula Lüscher, die Architektin Ursulina Schüler-Witte (U-Bahnhof Schlossstrasse) und Verena Pfeiffer-Kloss und Ralf Liptau von der Initiative Kerberos. Hier der Link zum Radiobeitrag (7 Minuten). Regula Lüscher gibt im Beitrag ihre Einigung mit der BVG zur Einberufung eines Gestaltungsbeirats bekannt, der dem Verkehrsunternehmen bei zukünftigen Baumaßnahmen beratend zur Seite stehen soll.
Die U-Bahndebatte findet Eingang in den Koalitionsvertrag der neuen rot-rot-grünen Landesregierung
3. Dezember 2016
Die Debatte um den Erhalt der U-Bahnhöfe hat es zu unserer großen Freude sogar in die Koalitionsvereinbarung der neuen Landesregierung geschafft. Dort werden die Verkehrsdenkmale explizit herausgehoben:
Berlin besitzt einen herausragenden Bestand an Industrie-, Technik- und Verkehrsdenkmalen, deren Schutz und Pflege sowie denkmalverträgliche Konversionen kulturell und ökonomisch gleichermaßen bedeutsam ist. Berlin wird das europäische Jahr des kulturellen Erbes 2018 insbesondere auf dem Gebiet der denkmalgeschützten Industriekultur engagiert mitgestalten und dabei bürgerschaftliche Initiativen unterstützen. (S. 46)
Besonders hoffnungsfroh stimmt uns dies:
Die bestehende Stadtlandschaft und Baukultur in Berin verdient besondere Aufmerksamkeit. […] Die städtischen Unternehmen müssen Vorbild für Denkmalschutz und Baukultur sein. (S. 45)
Zudem wird das Landesdenkmalamt in Zukunft der Senatsverwaltung für Kultur und Europa unterstehen. Wir sind gespannt, welchen Einfluss dies auf die Baukultur haben wird.
Senatsbaudirektorin Regula Lüscher für Gestaltungsbeirat und Denkmalschutz
30. November 2016
Senatsbaudirektorin Regula Lüscher einigt sich mit der BVG auf die Einberufung eines Gestaltungsbeirats und befürwortet die umgehende Unterschutzstellung ausgewählter U-Bahnhöfe auf Grundlage der dem Landesdenkmalamt vorliegenden gutachterlichen Erfassung.
Abbruch der Hintergleiswände im U-Bahnhof Yorckstraße
28. November 2016
Trotz der zahlreichen Proteste und der breiten fachlichen Unterstützung für den Erhalt wurden Ende November die intakten, leuchtend orangen, ikonischen Fliesen im U-Bahnhof Yorckstraße mühsam herausgeklopft. Die Berliner Woche berichtete und teilt den Ärger der Initiative Kerberos.
Erfassung und Begutachtung der U-Bahnhöfe abgeschlossen
20. November 2016
Dem Landesdenkmalamt liegt die Erfassung von 73 U-Bahnhöfen der Nachkriegsmoderne und Postmoderne (1961-1996) in Berlin vor.
Bericht über die aktuellen Baumaßnahmen und den Stand der Debatte
13. Oktober 2016
Das Online-Magazin Moderne Regional veröffentlicht einen Artikel von V. Pfeiffer-Kloss und R. Liptau über den Wert des aktuell noch erhaltenen Bestands im Berliner Untergrund.
Artikel bei frei04 Publizistik
30. September 2016
Ralf Liptau veröffentlicht bei frei 04 publizitsik – Das Architektur – eMagazin einen Artikel über die Initiative und den Stand der Baumaßnahmen, der hier als pdf gelesen werden kann.
Radiobeiträge zu den geplanten Maßnahmen und Rümmlers Bahnhof Paulsternstraße
9. August 2016
Auch das Berliner Radio hat Interesse an der Diskussion um den Erhalt der nachkriegsmodernen U-Bahnstationen. Hier ein Interview mit Frank Schmitz von der Initiative Kerberos Berlin.
http://www.radioberlin.de/programm/schema/dein_vormittag.html (9. August)
Und ein Beitrag zum U-Bahnhof Paulsternstraße mit Ralf Liptau:
17. Juli 2016: Pressemitteilung zum aktuellen Stand der Initiative, Unterstützer und der Baumaßnahmen (pdf)
Architektenkammer Berlin unterstützt den offenen Brief
6. Juli 2016
Die Architektenkammer Berlin mit ihrem Arbeitskreis Denkmalschutz und Denkmalpflege unterstützt den offenen Brief zum Erhalt der Stationen. Die Kammer schreibt unter anderem:
Denn auch wenn die Forderung, einzelne U-Bahnhöfe als Denkmal einzutragen, grundsätzlich unterstützt wird, bedarf es unabhängig vom Denkmalschutz einer bewahrenden Haltung für die Gesamtheit der Linien, wobei die Linien 7 und 9 durch die anstehenden Maßnahmen akut gefährdet sind.
Deshalb bedürfen die vorgesehenen Veränderungen eines umgehenden Stopps von Seiten der für den Verkehr zuständigen Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, um die bisherige Vorgehensweise zu überdenken.
Wir erklären gerne unsere Mitwirkungsbereitschaft, wenn es darum geht, nach konstruktiven Lösungen für eine angemessene Bewertung, Revision und Weiterentwicklung dieser Bauvorhaben zu suchen und dafür geeignete Verfahren und Begleitungsgremien zu finden.
Der gesamte Brief der Architektenkammer Berlin kann hier eingesehen werden.
Offener Brief für einen Stopp der geplanten und laufenden Baumaßnahmen an den U-Bahnhöfen der Nachkriegsmoderne
März 2016
urbanophil unterstützt den Offenen Brief, mit dem die Architekturhistoriker Frank Schmitz und Ralf Liptau im März 2016 zum Überdenken dieser Planungen angeregt haben. Folgende Forderungen wurden darin gestellt:
- Stopp und weitreichende Revision der bisherigen Planungen.
- Einrichtung eines wissenschaftlichen Beirats nach Vorbild des 2008 von Senatsbaudirektorin Regula Lüscher eingerichteten Berliner Baukollegiums. Daran sollen Vertreter_innen aus der Denkmalpflege sowie der Kunst- und Architekturgeschichte beteiligt sein. Ziele sind die wissenschaftlich fundierte Wertschätzung sowie individuell an die Bahnhöfe angepasste Sanierungskonzepte, die eine größtmögliche Bewahrung der Originalsubstanz ermöglichen.
- Umfangreichere und frühzeitigere Öffentlichkeitsarbeit zu geplanten Sanierungs- und Umbaumaßnahmen.
- Eintragung weiterer Berliner U-Bahnhöfe der 1960er und 1970er Jahre in die Berliner Denkmalliste.
Hintergrund: Baumaßnahmen und Initiative Kerberos Berlin
Aktuell läuft in 11 historischen U-Bahnstationen der Nachkriegsjahrzehnte eine Entkernung, die die Substanz dieser Berliner U-Bahnhöfe unwiderbringlich zerstören wird. Die Entwürfe für die Neugestaltung insbesondere der ikonischen U-Bahnhöfe Rathaus Steglitz und Schlossstraße sind geheim – wahrscheinlich aus gutem Grund.
Einen Überblick über einen Teil der geplanten Maßnahmen gibt der Tagesspiegel, das eigentliche Ausmaß an Zerstörung kann aber nur entdecken, wer aktuell mit der U-Bahn fährt. Neben den großen Maßnahmen gibt es nämlich zahlreiche kleinteilige Eingriffe. Die Terrakottaböden im Bahnhof Zitadelle weichen dem einheitlichen weißen Granitboden, was die Ensemblewirkung des Bahnhofs gefährdet. Überall verschwinden die eleganten Holzhandläufe aus den 1950er Jahren, im U-Bahnhof Bayerischer Platz wurden die letzten noch original erhaltenen Wegweiser aus den 1970er Jahren übermalt und durch Plastikschilder im heutigen CI überklebt – hätte man es nicht daneben kleben und ein Stück Designgeschichte zeigen können? Nein, denn dann wäre der extreme qualitative Abfall zwischen Rümmlers Type und dem heutigen CI zu offensichtlich geworden.
Eine Änderung dieser Sanierungspolitik ist trotz der breiten Kritik aus Politik und Fachwelt aktuell nicht abzusehen, die fehlende Gesprächsbereitschaft des Verkehrsunternehmens ist traurig. Der Mut zur Individualität, der so oft beschrien wird, fehlt leider völlig, ebenso der Wille zum Sehen und Verstehen.
Information:
Die Initiative zum Erhalt der Berliner U-Bahnhöfe der Nachkriegszeit – Initiative Kerberos – war ein Zusammenschluss und eine wissenschaftliche Kooperation von Frank Schmitz, Ralf Liptau und Verena Pfeiffer-Kloss von Urbanophil.