Im Schatten der Berliner Prestigebauten – ob Palast der Republik oder Kino International – entstanden in der DDR eine Reihe weit weniger beachtete, bei weitem aber nicht weniger markante Bauwerke der Ost- und Postmoderne. Der in Pastell getauchte Bowlingtreff Leipzig, die wundervolle Zitronenpresse in Gera, das historistisch ernste Fünfgiebelhaus in Rostock oder das Pumpspeicherwerk Hohen­warte: Bauten, die noch nicht in Gänze entdeckt worden sind und deren Baugeschichten auch Geschichten über das kollektive Arbeiten erzählen können. Das Kollektiv lädt ein zur architektonischen Entdeckungsreise, zeigt so manches Unbekanntes und blickt dabei hinter die Fassade auf die grundlegenden Prozesse der Architekturproduktion.



Im Mittelpunkt des Buches steht der kaum greifbare Mythos des Architektenkollektivs, denn architektonische und städtebauliche Planung fand in der DDR in Kollektiven statt. Freiberuf­liche Architekt:innen gab es nur in verschwindend geringer Zahl. Kollektive erfüllten politische Repräsentationsansprüche, waren routinierte Arbeitsgemeinschaften und künstlerische Gruppierungen zugleich. Doch konnten diese Kollektive – ursprünglich erdacht als kreative sozialistische Konkurrenzmodelle zu den individualistisch tätigen Architekt:innen des Westens – in der Praxis des DDR-Bauwesens überhaupt die ihnen zugedachte Kreativität entfalten?

Aus Gesprächen mit Zeitzeug:innen und erstmals erschlossenen Archivmaterialien gewinnen die Autor:innen neue Erkenntnisse zu Vision und Wirklichkeit der kollektiven Arbeitsweise. Im Blickfeld stehen dabei das Spannungsfeld von individueller und gemein­schaftlicher Kreativi­tät, der Umgang mit komplexen Hierarchien und das Ausloten künstlerischer Handlungs­spielräume. Und lag nicht genau in Letzterem – im kreativen Verschieben von Grenzen – die große Kraft des Kollektivs?

Der historische Rückblick auf das kollektive Arbeiten scheint auch aus heutiger Perspektive aktueller denn je, nicht nur, wenn wir auf das Motto der diesjährigen Documenta blicken, sondern auch, wenn wir gemeinsam den Herausforderungen der Zukunft begegnen wollen. Wir wünschen viel Freude beim Lesen und Entdecken.

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Das Kollektiv.
Formen und Vorstellungen gemeinschaftlicher Architekturproduktion in der DDR
von Stephanie Herold, Harald Engler, Stefanie Brünenberg, Scarlett Wilks, Sophie Stackmann und Dirk Florian Fordtran
Softcover mit Klappen
352 Seiten
17 x 24 cm
145 Fotografien, Pläne und Entwürfe
Satz und Gestaltung: Bureau Punktgrau
ISBN: 978-3982-4959-0-3
Urbanophil 12/2022
36 €