Endlich Schluss mit Billigläden und Sexshops. Stattdessen neue Hochhäuser und Läden. Die City-West erfindet sich neu. Wohlklingende Schlagzeilen, die da über das Viertel rund um den Zoo grassieren.

Im Frühjahr verschwindet dann die letzte „Schmuddelecke“, das Aschinger-Haus mit benachbartem Leineweber-Haus an der Joachimsthaler Straße werden abgerissen und durch einen Neubau ersetzt. Doch schauen wir uns die sogenannte „Schmuddelecke“ mit Spielhallen, Sexshops und Imbissbuden einmal genauer an, und wie es dazu kam.

Der Bau, 1973 fertiggestellt nach Plänen des einstigen (West-)Berliner Stararchitekten Dietrich Garski, zählte sicherlich nie zu den Schönheiten Berlins, doch beherbergte er bis vor wenigen Jahren noch ein gerade bei Touristen mit knappen Geldbeutel beliebtes Hostel. Jahrzehntelang war hier auch die bekannte Fußballlokalität „Holst am Zoo“, zuletzt betrieben als „Hanne am Zoo“, beheimatet. Ex-Bundesligaprofi Hans Weiner hätte das Berliner Traditionslokal auch gern weiterbetrieben, doch hatte der neue Eigentümer des Hauses wohl kein Interesse an einer Verlängerung des Mietvertrages und so blieb 2010 nur die für viele plötzliche Schließung des Lokales. Hanne Weiner ist es trotz intensiver Bemühungen bis heute nicht gelungen, am Zoo neue Räumlichkeiten anzumieten. Entweder sind die Mieten zu hoch oder eine Fußballgaststätte passt den Vermietern nicht ins Konzept. Hier ist eben kein Platz mehr für den Volkssport Fußball.

Dem Erotikmuseum von Beate Uhse im Leineweber-Haus, das im letzten Dezember schließen musste, ging es ebenso. Deren Geschäftsbetrieb kann man wohl kaum als Sexshop bezeichnen und selbst wenn? Immerhin befinden wir uns in einer Metropole, die sich allzu gern als weltoffen und tolerant definiert.

Abb.: Das Aschinger-Haus; Foto Axel Goedel

Abb.: Das Aschinger-Haus; Foto von Axel Goedel

Dem eigentlich denkmalgeschützten Schimmelpfeng-Haus am benachbarten Breitscheidplatz ging es bereits vor Jahren an den Kragen. Auch dies Haus war in die Jahre gekommen und der nördliche Teil, die Straßenüberbauung der Kantstraße, stand bis auf das langjährige Chinarestaurant leer und wartete auf neue Konzepte. Die bestanden im Abriss, und es tauchten Bilder in den Medien auf, die den Abbruch mit einer wunderschönen „Sichtachse“ entlang der Kantstraße auf die Gedächtniskirche rechtfertigten. Sieht man sich das Ergebnis dieser „Sichtachse“ heute an, ist man ernüchtert. Man muss schon an der Ecke Joachimsthaler Straße stehen und selbst dort noch den Hals recken, um einen Blick auf die „Sichtachse“ zu erhaschen. Sonderbar, dass es im Computerzeitalter nicht gelingt, eine naturgetreue Simulation zu erstellen und man sich derartig mit den schönen Bildern vertan hatte…

Dem Abriss des restlichen Teils des Schimmelpfeng-Hauses fielen auch hier alteingesessene Läden wie City Music zum Opfer. Dabei hatte es für das Schimmelpfeng-Haus Alternativpläne, u.a. der Stiftung „Denk mal an Berlin“, gegeben. Diese sahen eine Kombination mit den neu zu errichtenden Hochhäusern vor. Mit dem Zoofenster ist eines bereits fertiggestellt und bietet einen schönen Vorgeschmack auf das neue Zeitalter am einst pulsierenden Zoo. Die Architektur mag auf dem ersten Blick nicht verkehrt sein, doch passt sie zum Zeitgeist. Beherbergt es schließlich mit dem Waldorf Astoria ein Hotel der Luxusklasse. Für Touristen selbst aus besseren Einkommensverhältnissen wird hier kein Unterkommen sein. Ebenso sind die meisten der Läden in den unteren Geschossen wohl kaum für Normalverbraucher gedacht. Imbisse sind hier ohnehin nicht geplant. Warum auch? Soll das Volk doch Austern und Kaviar essen, wenn es kein Döner mehr gibt.

Kurzum gesagt ist die „Neuerfindung“ der City-West in Wirklichkeit eine Verdrängung breiter Bevölkerungsschichten, die hier nichts mehr zu suchen haben. Die Vielschichtigkeit dieses Viertels wird durch Architektur und Angeboten, wie sie in vielen Städten rund um den Globus zu finden ist, ersetzt. Gewachsene Strukturen, wie sie durch Lokalitäten wie Hanne am Zoo bestanden, sind für immer zerstört…

Abb.: Schimmel

Abb.: Schimmelpfeng-Haus; Foto von Axel Goedel

Der Artikel erschien auf Berlinerisch auf Berlintypisch, dem Blog des Autors

Über den Autor:

Axel Gödel steht in kritischer Distanz zum zeitgenössischen Berlin und liebt “trotz alledem” seine Heimatstadt. Hier geboren, hat er besonders zu Kreuzberg, den Bezirk wo er ausgewachsen ist, eine besondere Beziehung. Seit Jahren beschäftigt er sich intensiv mit Berlin-Typika und dem Berliner Dialekt. Mittlerweile bündelt er sein Wissen auf seiner Webseite und seinen Blog und liest von Zeit zu Zeit Geschichten aus dem Leben Klaus Klattkes, einem Charakter den er entwickelt und über den er die Sicht eines typischen Berliners auf Arbeitsmarkt, Stadtentwicklung und Globalisierung und deren Auswirkungen auf “die janz unten” reflektiert. Axel wird künftig in loser Folge auf Urbanophil seine Stadtbeobachtungen publizieren.

Mehr Infos, Aufsätze, Rezepte und Geschichten auf den beiden Blogs des Gatautors: http://berlintypisch.wordpress.com und http://www.berliner-dialekt.de/