Bundesministerium für Graffiti und Street Art KulturQuelle: Robert Bauer

Auch eine gute Idee: Bundesministerium für Graffiti und Street Art Kultur

Dass es nach der Verkünd(ig)ung der künftigen Ressorts in der Bundesregierung immer noch kein Bundesministerium für urbane Kultur gibt, ist leider ein hinzunehmendes Übel. Die Ressortzuschnitte und personellen Besetzungen rund um urbane Themen lohnen aber trotzdem einen Blick und eine – zugegeben subjektive – Bewertung: ein Kommentar.

Was bisher als Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung relativ leicht über die Lippen floss, ist wieder Geschichte: die 1998 eingeführte Vereinigung der beiden räumlichen Ressorts aus dem Verkehrs- und dem Städtebaubereich. Die Abteilungen Bauen und Stadtentwicklung, die unter anderem für alle Städtebauförderungsprogramme und die Gebäudesanierung zuständig sind, werden in das Bundesumweltministerium eingegliedert, das nun den sperrigen Titel „Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit“ trägt.

Das Verkehrsressort soll um einen neuen Bereich „Digitale Infrastruktur“ erweitert werden und stellt wohl den ersten Versuch eines Internetministeriums dar. Wieso Digitales aber ausgerechnet zu Verkehr passt, erklärt wohl nur die Logik der Regionalpartei CSU. Die bayrische Autofahrerpartei und ihr Minister (zu dem ich gleich noch komme) wollten wohl zum Autobahnbau-Ressort noch unbedingt das vermeintliche prestigeträchtige Ausbauen der Breitband-Infrastruktur im ländlichen Bayern. Man könnte auch unken, dass ein Ministerialbeamter einigen Koalitionären die Breitbandproblematik mit der Notwendigkeit von schnellen „Datenautobahnen“ erklärt hatte und nur das dann hängen blieb.

Hingegen ist Stadtentwicklung als Wort wohl nicht in Erinnerung geblieben – es taucht in keinem Ministeriumsnamen mehr auf. Natürlich sind Namen nicht alles, aber ein deutliches Zeichen allemal und keineswegs eine Stärkung der gesamten Thematik. Es kommt nun auf die tatsächliche Tätigkeit des neuen Bundesministeriums an. Für einen ersten Eindruck müssen wir wohl die üblichen 100 Tage abwarten und sehen dann, was Alexander Dobrindt und Barbara Hendricks anpacken wollen.

Dass beide freudig Hand in Hand arbeiten werden, lässt sich aber zunächst bezweifeln. Auf der einen Seite steht die eher ruhigere ehemalige SPD-Schatzmeisterin Hendricks, die über die niederrheinische Margarineindustrie promoviert hat, im Kuratorium der Magnus-Hirschfeld-Stiftung sitzt und bereits in der Umweltpolitik tätig war. Auf der anderen Seite findet sich der ehemalige CSU-Generalsekretär Dobrindt, der sich für keinen wohl inszenierten Schlag unter die Gürtellinie zu fein ist, Homosexuelle als „schrille Minderheit“ abtut und bisher nicht mit fachpolitischen Beiträge Schlagzeilen gemacht hat – weder zum Thema Verkehr noch zur digitalen Welt. Vielmehr ist es ein offenes Geheimnis, dass er für seinen guten weil erfolgreichen Wahlkampf in Bayern von Horst Seehofer mit einem schönen Ministeramt belohnt wurde.

Man könnte an dieser Stelle natürlich einwenden, dass die ganzen Ressortzuschnitte und Ministerköpfe sowieso unerheblich wären, da sich nur Abteilungen und Referate verschieben, die eigene, nahezu unregierbare Mikrokosmen darstellen und es egal ist, ob neben der Abteilung Stadtentwicklung die Abteilung Verkehr oder Naturschutz liegt. Das kann man – es bleibt aber abzuwarten, ob da was dran ist! Und dass ausgerechnet unter CSU-Minister Ramsauer („Wenn irgendwo ein Trafo durchbrennt, muss man nicht gleich die ganze Atomkraft in Frage stellen.“) das Städtebauförderungsprogramm für den ländlichen Raum eingeführt wurde und nun unter SPD-Ägide wieder die Mittel für Soziale Stadt steigen sollen, zeigt, dass Köpfe und Strukturen eben doch Einfluss haben.

Aus der Verbindung von Umwelt und Stadt wiederum können – politischen Willen vorausgesetzt – interessante Neuerungen entstehen: Ein Bundesprogramm zur Förderung urbaner Gärten oder ein Aktionsprogramm zu Minderung des Urban-Heat-Island-Effekt durch Fassaden- und Dachbegrünung wären nur zwei Ideen. Auch die längst überfällige Ausgliederung der Stadtentwicklungsforschung des BBSR aus der technische Bauprojektverwaltung wäre etwas, über dass sich die Ressortforschungseinrichtung Umweltbundesamt in Dessau bestimmt mit offenen Armen freuen würde.

In einigen Medienberichten tauchte die Bewertung auf, die neuen Ressortzuschnitte hätten den Vorteil, dass nur noch zwei Minister (Wirtschaft/Energie, Umwelt & Co.) für die Energiewende verantwortlich wären, während es vorher noch drei waren (Wirtschaft, Umwelt, Verkehr/Bau/Stadtentwicklung). Doch dabei wird verkannt, dass ein maßgeblicher Teil der Energiewende eben auch darin besteht, Mobilitätsstrukturen zu verändern, die leider die unschöne Eigenart haben, so steuerbar wie ein schwerer Tanker zu sein. Damit säßen wieder drei Ministerien im Boot.

Ein Hauptproblem des neuen Ressortzuschnitts knüpft hier an. Es wurde wieder verpasst, das Verkehrsministerium – im Namen wie auch in der politischen Arbeit – zu einem Mobilitätsministerium umzuwandeln und damit anzuerkennen, dass es heute eben nicht mehr um den Ausbau der Wege für einzelne Verkehrsträger geht (breitere Autobahnen, schnellere Bahnstrecken), sondern um ein verkehrsmittelübergreifendes Denken aus der Perspektive der Nutzenden heraus. Und genau dazu gehört auch, Mobilitätspolitik von Seiten der Stadtentwicklung und des Bauens mitzudenken – und andersherum. Ein Mobilitätsministerium wäre zwar noch lange kein Ministerium für urbane Kultur, wie es uns bei Urbanophil gefallen würde, aber ein Schritt in die richtige Richtung.