OlympiaAndersDenken

OlympiaAndersDenken

Die „Wir wollen die Spiele“  –Kampagne ist in Berlin unübersehbar. Mit einem Aufgebot an Plakaten, Anzeigen, Werbespots und Promistimmen macht das Berlin Marketing (Berlin Partner) Stimmung für die Bewerbung Berlins als Olympiastadt 2024 oder (wenn es nicht klappt) 2028.

Der Senat informiert parallel zum Bewerbungsvorgang (www.berlin.de/spiele-in-berlin/) und lädt auf der Website „Was will Berlin?“ zur Bürgerbeteiligung und Ideensammlung ein (http://was-will.berlin.de). Auch für eine sogenannte Bürgerbegleitgruppe kann sich der engagierte Bürger bewerben.

Leider ist die zuerst genannte öffentliche Kampagne „nur“ populäre und klassische Event-PR, ohne maßgeblich auf Hintergründe einzugehen und Inhalte über ein mögliches Konzept der Spiele zu transportieren. Für eine Stadt, in der Debatten um Stadtentwicklung ein breites und engagiertes Publikum haben, ist dies durchaus als Missachtung der bestehenden urbanen Kultur zu verstehen. Und das Senatsangebot zur Olympiabewerbung wirkt bislang trocken, wenig aufklärend und nur begrenzt motivierend – die geringen Teilnahmewerte an den Umfragen und dem Online-Diskussionsforum bestätigen dies hinreichend – (möchte man hier überhaupt Olympische Spiele?). Beides fördert die Skepsis und hinterlässt bei vielen Bürgern hinter dem Slogan „Wir wollen die Spiele“ ein großes Fragezeichen, dass oft mit der Sicht auf die herrschenden Stadtentwicklungsprobleme eingelöst wird: BER Skandal, Wohnungsproblematik, marode städtische Infrastrukturen und ein belasteter Finanzhaushalt. Eine fruchtbare Debatte, die eine gesamtstädtische Entwicklung über das Thema Olympische Spiele stellt ist bislang kaum sichtbar.

Etwas kurzfristig und überraschend ploppte deshalb in der vergangenen Woche die Meldung in den digitalen Postkasten: #OlympiaGehtAuchAnders! Kulturstaatssekretär Tim Renner und Vertreter der Berliner Kunst- und Kreativszene laden zum öffentlichen Brainstorming für Ideen und Vorschläge für Olympischen Spiele ein. Als Diskussionsgrundlage legte man ein kurzes Thesenpapier vor, dass unkonventionell, bunt und frisch wirkt und mit Dialog anregenden Übertreibungen spielt – also den Charakter eines jungen, frechen und kreativen Berlins aufnimmt. In der Presse und den sozialen Medien kursierte bald der Begriff „Coolympia“…

OlympiaAndersDenken, Thomas Willemeit (Graft) am Tisch für Bau & Stadtentwicklung

OlympiaAndersDenken, Thomas Willemeit (Graft) am Tisch für Bau & Stadtentwicklung

 

#OlympiaAndersDenken

Gestern (18.02.2015) versammelten sich nun im Radialsystem ca. 200 interessierte Bürger und viele Aktive aus der Berliner Kunst-, Kreativ- und Kulturszene zum gemeinsamen Brainstorming. „Wenn Olympia nach Berlin kommt, dann wollen wir nicht bespielt werden, sondern mitspielen“, heißt es im Thesenpapier und dieses Motto kann auch vor die gestrige Veranstaltung gesetzt werden. Zunächst gab Tim Renner eine kurze Einführung und lieferte die Motivation für das vorgelegte Thesenpapier. Anschließend gab es kurze Statements von weiteren Mitgestaltern des Thesenpapiers (Marion Heine von Plantage Berlin, Jacob Bilabel von der Green Music Initiative, u.a.). Darauf ging es zum Brainstorming an die Thementische (Worldcafé like): Geschichte, Kinder- und Jugend, Inklusion, Nachhaltigkeit, Bau & Stadtentwicklung, Transparenz und natürlich Sport – Themen wurden in kleinen moderierten Runden hinsichtlich Olympia anregend diskutiert. Auch wegen der unkonventionellen und teilweise unrealistischen Aussagen des Thesenpapiers (z.B. „die Funktionäre des internationalen Sports laden wir zum Couchsurfing bei Berlinerinnen und Berlinern ein.“) gelang sofort der Einstieg in eine sehr freie und anregende, trotzdem inhaltliche Diskussion, die über viele visionäre und manchmal utopische Vorschläge den konstruktiven Anspruch nicht verfehlte. Neben „Doping für alle“, einer Eröffnungsfeier außerhalb der Stadien oder dem Ersetzen des olympischen Feuers durch Wasser, wurde bei den Vorschlägen besonders die Rolle des (Berliner) Stadtraumes deutlich: die urbane Infrastruktur solle mit den möglichen Spielen für die Stadt entwickelt werden und nicht auf die Spiele hin dimensioniert – statt Nachnutzungskonzepte zu konzipieren, solle von den Olympischen Spielen als Zwischennutzung ausgegangen werden (eine Disziplin, die Berlin beherrscht). Auch wurde keine Ausweitung der Überwachung öffentlicher Räume durch weitere Kameratechnik als Wunsch vorgebracht….

So wurde über den Weg des „AndersDenken“ ein weiter Vorschlagsbogen über Olympia in Berlin gespannt, der allerdings eine zusammenfassende Aussage am Ende des Abends zuließ: Die urbanen Qualitäten Berlins und das vielschichtige Leben und Arbeiten auf den Ebenen von Kunst, Kultur und Kreativwirtschaft brauchen die Olympische Spiele nicht, vielmehr sind es die Olympischen Spiele, die Berlin brauchen! Wenn die Olympischen Spiele also eine zeitgemäße Neuausrichtung erfahren sollen, dann geht dies nur in Berlin unter mit den Spielregeln, welche diese Stadt macht!

Vor diesem Hintergrund macht es Lust auf ein produktives und unkonventionell konstruktives OlympiaAndersWeiterDenken!

Zunächst werden die Ergebnisse von Thesenpapier und Veranstaltung in einem Manifest formuliert, das als Diskussionsangebot für Gespräche mit dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) dienen soll.

Ob Berlin sich vor Hamburg als deutsche Bewerberstadt für die olympischen Sommerspiele durchsetzt ist noch offen. Am 23. Februar 2015 will der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) im Rahmen einer Umfrage wissen, welche der beiden Städte mehr Zuspruch erhält, um dann am 21. März zu entscheiden, mit welcher Stadt der DOSB in die Bewerbung gehen wird. Vielleicht wird sich der DOSB auch für Hamburg entscheiden.

 

weiteres zum Thema:

 

Parallel wurde auf Spiegel Online ein Gastbeitrag von Thomas Heilmann (Senator für Justiz und Verbraucherschutz) und Tim Renner veröffentlicht:

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/olympia-debatte-warum-berlin-die-olympischen-spiele-ausrichten-sollte-a-1018683.html

Kampagnenvergleich Berlin/Hamburg:

http://www.designtagebuch.de/hamburg-oder-berlin-endspurt-fuer-die-werbekampagnen-um-olympia-2024/

Radiobeitrag auf FluxFm:

http://www.fluxfm.de/berlin-olympia/