Für den MIV gesperrte Friedrichstraße, Berlin 2020. Bild: Laura Bornemann

Stadtplanung und Mobilitätswende gemeinsam denken
von Hans-Hermann Albers

Die aktuelle Debatte um eine Mobilitätswende hat zum Ziel, den Transport von Personen und Gütern nachhaltig und ressourcenschonend zu gestalten. Dazu gilt es, attraktive und effektive Mobilitätsangebote zu schaffen und eine möglichst umfassende und sozial gerechte „Mobilitäts-Grundversorgung“ bis in periphere Regionen zu schaffen. Des Weiteren soll die Verkehrssicherheit erhöht werden.

Einerseits entstehen in den Städten – aufgrund der Digitalisierung – neue Formen individueller, kollektiver oder kollaborativer Mobilität wie Car-, Ride- und Bikesharing. Begleitet von einer Zunahme elektrischer Antriebe (E-Mobilität) wächst dabei der Bedarf an Mobilitätsstationen und Ladeinfrastrukturen, deren Unterbringung im Stadtraum eine Herausforderung darstellt. Andererseits ist ein Grundsatz der Mobilitätswende, den ÖPNV nicht zu schwächen, sondern vielmehr seinen Ausbau und eine effektive Nutzung zu ermöglichen. Denn gerade die Zersiedelung und das Wachstum der Städte in schlecht erschlossenen Randbereichen führt zu mehr PKW-Nutzung und stärkeren Verkehrsbelastungen.  

Welche Maßnahmen unterstützen Sie, damit die Mobilitätswende gelingt und sozial-ökologisch umgesetzt wird? Und wie verhindern Sie gegenläufige Stadtentwicklungstendenzen, die eine Mobilitätswende behindern?

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[Antwort Daniela Wagner]

Die Wende hin zu einer nachhaltigen Mobilität steht im Zentrum unseres Programms. Wir GRÜNE wollen eine faire Einbeziehung aller ökologischen und sozialen Kosten des Auto- und Lkw-Verkehrs und den Ausbau von Schiene, ÖPNV, Rad- und Fußverkehr sowie modernen Mobilitätsdienstleistungen wie Car- und Ridesharing massiv fördern.

Städte und Gemeinden brauchen endlich mehr rechtlichen Spielraum, um ihre Verkehrsverhältnisse neu zu gestalten und Verkehrsbelastungen zu vermindern. Dazu gehört u.a., eigenständig über Geschwindigkeitsbeschränkungen und Verkehrsberuhigungen zu entscheiden, leichter Zebrastreifen und attraktive Fahrradwege und Fahrradstraßen einzurichten, Parkplätze zu verringern und mehr Platz und Bewegungsfreiheit für Fußgängerinnen und Fußgängern zu schaffen.

Der öffentliche Personennahverkehr wurde jahrzehntelang vernachlässigt und seine Modernisierung versäumt. Auch die Kombination von Fahrrad und ÖPNV – gerade auch im ländlichen Raum – muss dringend verbessert werden. Wir GRÜNE setzen darauf, dass Bund und Länder in den kommenden Jahren gemeinsam in Ausbau und Attraktivitätssteigerung des ÖPNV investieren und für eine flächendeckende Mobilitätsgarantie auch neue Finanzierungswege, etwa über mehr Parkraumbewirtschaftung oder eine allgemeine ÖPNV-Abgabe, erschließen. Ob die Klimaschutzziele im Verkehr erreichbar werden, entscheidet sich insbesondere in der besseren ÖV-Erschließung der Speckgürtel und peripheren Räumen.

Wir stehen für Innenentwicklung und das Leitbild Stadt der kurzen Wege. Kompaktere Siedlungsstrukturen an ÖPNV-Achsen und gemischt genutzte Quartiere lassen sich leichter im Umweltverbund erschließen. Wir stärken die Nutzungsmischung in der Baunutzungsverordnung. Unsere Ortskerne und Innenstädte stärken wir darüber hinaus mit Investitionshilfen für vielfältige Nutzungen, Nachverdichtung und die Reaktivierung leerstehender Gebäude. Mit rechtlichen Vorgaben und Anreizen realisieren wir den Vorrang der Innenentwicklung und flächensparendes Bauen, mehr hoch als breit, mit reduzierten Verkehrsflächen. Wir setzen uns ferner dafür ein, dass der Paragraph 13b des Baugesetzbuches nicht über das Jahr 2022 hinaus verlängert wird. Auch die Kooperation zwischen den Gemeinden, auch bei Stadtentwicklung und Mobilität, wollen wir mittels der Städtebauförderung und einer neuen Gemeinschaftsaufgabe für Regionale Daseinsvorsorge erhöhen.

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Menschen sollen so mobil sein, wie sie es möchten: individuell, flexibel und umweltfreundlich. Dabei ist uns die Wahlmöglichkeit zwischen den Verkehrsangeboten genauso ein Anliegen wie die Vernetzung und Digitalisierung von Mobilitätsformen. Mobilität muss einfach, flexibel und komfortabel für Jung und Alt sein – auf dem Land, in der Stadt und auch für mobilitätseingeschränkte Personen. Unser Ziel ist es, überall ein bedarfsgerechtes Grundangebot im öffentlichen Verkehr sicherzustellen – auch auf dem Land. Wir wollen deshalb einen flächendeckenden Mindeststandard schaffen, der allen Menschen einen gleichwertigen, barrierearmen und einfachen Zugang zum ÖPNV gewährt. Den Deutschlandtakt werden wir im Fern- und Regionalverkehr realisieren. Attraktive Verkehrskonzepte umfassen eine echte Verzahnung zwischen motorisiertem Individualverkehr und dem ÖPNV. Wir wollen Mobilitätsstationen entlang wichtiger Infrastruktur entstehen lassen und durch vernetzte Wegeketten ein Rückgrat für die nachhaltige Mobilität formen. Dafür werden wir bestehende Park & Ride-Angebote weiterentwickeln und beispielsweise solargetriebene Lademöglichkeiten für PKW, E-Roller und E-Bikes integrieren.

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[Antwort Caren Lay]

Für den sozialökologischen Umbau und die Belebung von Innenstädten und Dorfkernen brauchen wir eine neue Ausrichtung von Regionalpolitik und Städtebauförderung des Bundes. Schwerpunkt der Investitionen soll auf Zukunftsaufgaben liegen, wie der Gebäudesanierung, der Verbesserung des Wohnumfelds, dem altersgerechten und barrierefreien Umbau von Gebäuden sowie der Förderung nachhaltiger Mobilität.

Wir wollen anders planen, weg von Flächenfraß und Zersiedelung der Landschaft und hin zu einer Dorf- und Stadtplanung, die Lebensqualität für alle in den Mittelpunkt stellt. Eine Politik, die im Interesse von Investoren große Einkaufszentren und Malls fördert, lehnen wir ab.  

Wir wollen bezahlbare und klimafreundliche Mobilität für alle und  treten für kommunale, demokratisch kontrollierte Nahverkehrsunternehmen ein. Wir wollen den ÖPNV ausbauen  und einen kostenlosen Nahverkehr und günstigere Bahntickets. Erste Schritte sind deutlich günstigere Fahrpreise, flächendeckend Sozialtickets für Haushalte mit geringem Einkommen, eine Sozial-BahnCard sowie kostenlose Schüler- und Azubitickets.

Wir wollen weniger PKWs in den Städten und eine bessere Infrastruktur für Fuß- und Radverkehr.

Gerade in der Corona-Krise hat sich gezeigt, wie wichtig eine höhere Taktung im ÖPNV, bezahlbare Preise, gute Arbeitsbedingungen und gut ausgebaute Radwege sind. Doch vielerorts sind Verkehrsbetriebe in eine Schieflage geraten, weil es weniger Fahrgäste gab. Doch statt in klimafreundliche Mobilität für alle zu investieren, wurde die Lufthansa mit Milliarden gerettet – ohne Beschäftigungssicherung.

Es braucht ein Investitionsprogramm für den Stadtumbau, um die einseitige Fokussierung auf Automobilität zu überwinden, Stadtraum für alle zurückzugewinnen und die Lebensqualität  zu steigern.

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[Antwort Daniel Föst]

Wir Freie Demokraten sind davon überzeugt, dass eine Mobilitätswende nur zusammen mit den Menschen und nicht durch eine rigorose Verbotspolitik sozialverträglich gelingen kann. Ideen wie ein kostenloser ÖPNV für alle Bürger bringen uns nicht ans Ziel. Statt ÖPNV zum Nulltarif einzuführen, muss die Leistungsfähigkeit des ÖPNV in den Städten verbessert und der Verkehrsfluss durch intelligente Verkehrssteuerung, innovative Mobilitätslösungen sowie Digitalisierung optimiert werden.
Gegen die Zersiedelung und das Wachstum der Städte in schlecht erschlossenen Randbereichen, welche zu mehr PKW-Nutzung und stärkeren Verkehrsbelastungen führt, helfen nur vermehrte Infrastrukturinvestitionen sowie eine Dachaufstockungs- und Ausbauoffensive in zentralen Stadtgebieten. Weitere Wohnraumpotentiale lassen sich auch durch die Umnutzung nicht mehr benötigter Gewerbe- und Büroflächen sowie flexiblere Gebäudenutzungen erschließen. Hier können wir in integrierten Lagen der Städte zusätzliche Wohnfläche zu schaffen. Wie beim Thema Dachausbau stehen auch bei diesem Thema noch immer bauplanungs- und bauordnungsrechtliche Hürden im Wege und verhindern eine flächendeckende Nutzung dieser Potenziale. Um die Umnutzungshindernisse auszuräumen, wollen wir im Gebietstyp „Kerngebiet“ mehr planungsrechtliche Spielräume für die Umgestaltung der Innenstädte ermöglichen.
Beim Thema Mobilität müssen wir aber vor allem auch den ländlichen Raum mitdenken. Durch kluge Anbindungen an die Metropolregionen sowie durch eine zeitgemäße Infrastruktur in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Digitalisierung entlasten wir nicht nur die Städte in verkehrs- und wohnungspolitischer Hinsicht, sondern bewahren zugleich auch den ländlichen Raum vor dem Ausbluten.

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Wir haben ein ambitioniertes Ziel: das modernste und klimafreundlichste Mobilitätssystem in Europa zu schaffen. Dafür denken wir Mobilität neu: Nachhaltig, bezahlbar, barrierefrei und verlässlich. Unsere Mission ist eine klimaneutrale Mobilität für alle. Das ist eine gesamtstaatliche Aufgabe, zu der der Bund seinen Beitrag leisten muss, die aber auch Länder und Kommunen in die Pflicht nimmt. Um die Klimaziele im Verkehrsbereich zu erreichen, müssen wir den Anteil des Öffentlichen Verkehrs am gesamten Verkehrsaufkommen weiter stärken Unser Ziel ist eine Mobilitätsgarantie: Jede*r Bürger*in soll einen wohnortnahen Anschluss an den öffentlichen Verkehr haben. Dazu nutzen wir die Möglichkeiten der Digitalisierung: mit neuen Mobilitätsdienstleistungen, die vernetzte Mobilitätsangebote auf digitalen Plattformen nutzbar machen. Modelle wie das 365-Euro-Ticket oder Modellprojekte für einen ticketfreien Nahverkehr unterstützen wir. Wir werden einen Mobilitätsplan 2030 auf den Weg bringen, der den öffentlichen Personennahverkehr und den Schienenverkehr auf ein neues Niveau bringt.

Der Bund wird durch Austauschprogramme seinen Beitrag leisten, damit alle neuen Busse und Bahnen bis 2030 in den Kommunen klimaneutral fahren und die vorhandenen Flotten modernisiert sind. Förderprogramme und ein geändertes Straßenverkehrsrecht sollen Kommunen dabei unterstützen, in Städten mehr Fläche für öffentlichen Verkehr, Fußgänger*innen und Radfahrer*innen zu schaffen. An Knotenpunkten werden wir die Einrichtung von barrierefreien Mobilitätsstationen für nachhaltige urbane Mobilität fördern, damit möglichst viele vom Auto auf umweltfreundliche Verkehrsmittel umsteigen. Wir werden eine nationale Leitstelle Mobilität einrichten, die die Erarbeitung regionaler Mobilitätspläne unterstützt und eine frühzeitige Beteiligung vor Ort sicherstellt.

Die Mobilitätswende wird dann auch in den Innenstädten weiter an Fahrt aufnehmen. Neben der weiteren Stärkung des klassischen ÖPNV und mehr Raum für den Fahrrad- und Fußverkehr brauchen wir Citylogistikkonzepte für die Belieferung, emissionsarme Lösungen wie etwa Sammeldepots für Zustelldienste an Standorten am Rande der Zentren mit Anlieferung der Waren durch Elektrofahrzeuge und Lastenfahrräder.

Die Mobilitätswende gelingt zweifellos nur im Kontext einer nachhaltigen Stadtentwicklung. Mit der Verabschiedung des Baulandmobilisierungsgesetzes in diesem Jahr haben wir die Möglichkeiten für die Innenentwicklung und eine behutsame Nachverdichtung in den Städten verbessert.

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