Von Gastautor Aljoscha Hofmann, Think Berl!n

Nicht nur die Tage des alten Terminalgebäudes sind gezählt, auch in der gesamten Stadtregion verschieben sich durch die Eröffnung des neuen Großflughafens BER die Gewichte. Foto: A. Hofmann

Nicht nur die Tage des alten Terminalgebäudes sind gezählt, auch in der gesamten Stadtregion verschieben sich durch die Eröffnung des neuen Großflughafens BER die Gewichte. Foto: A. Hofmann

Acht Monate nach der Wahl in Berlin sind immer noch viele Fragen zur Stadtentwicklungspolitik Berlins offen. Einen neuen Anstoß für eine breitere Diskussion über die Berliner Stadtentwicklung soll der Auftakt der Reihe „Stadtpolitik trifft Stadtforschung. Dialoge zur Stadtentwicklung an der TU Berlin“ mit dem Thema: „Stadtentwicklung: Berlin sieht schwarz-rot“ am 18.04.2012 geben. „Ist Stadtentwicklung nach der Wahl egal?“ war bereits die Frage der am 06. Mai 2011 von Think Berl!n plus veranstalteten Tagung in Berlin. Ein Grund dafür war die Beobachtung, dass Stadtentwicklung, vier Monate vor den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus am 18. September 2011, im Wahlkampf kaum ein Thema darstellte. Den politischen Parteien fehlte offenbar eine klare Vision für die zukünftige Entwicklung der Stadt, zumindest waren die Wahlprogramme in diesem Bereich sehr dünn.

Stadtentwicklung vor und nach der Wahl 2011

Wohin geht die Berliner Stadtentwicklungspolitik? Foto: Aljoscha Hofmann.Quelle: Aljoscha Hofmann

Wohin geht die Berliner Stadtentwicklungspolitik? Foto: Aljoscha Hofmann.

Auf der Tagung im Mai 2011 wurde ein Memorandum für ein Stadtentwicklungsprogramm vorgestellt und mit den geladenen Gästen und dem Publikum diskutiert. Das Memorandum benannte übergeordnete Themen – Abschied vom Archipel! Die Metropolregion ist der Maßstab!, Die Orte und Themen in Zusammenhang denken!, Prioritäten setzen!, Klare Regeln für stadtweite sektorale Themen!, Schönheit, Bau- und Raumqualität – kein Privileg!, Infrastruktur als Chance!, Stadtgrün – mehr als Salatgarnitur!, Auf die Umsetzung kommt es an!, Planung von oben und unten!, Die Privatisierung der Stadt um jeden scheinbaren Grund stoppen! Rückenwind durch die politische Führung! – sowie sechs Schlüsselräume für ein Stadtentwicklungsprogramm: das Zentrum Berlins, die ehemaligen Arbeiterquartiere, die großen Stadtbrachen in innerstädtischer Lage, die Großsiedlungen des sozialen Wohnungsbaus, die zersiedelte urbane Landschaft und die Großstadtregion insgesamt.

Themen, die, wie die A 100, im Wahlkampf von hoher Bedeutung waren, sind heute von der Bildfläche verschwunden. Die – in der Fachwelt nicht unumstrittenen – Themen für eine Internationale Bauausstellung in Berlin (Hauptstadt Raumstadt Sofortstadt), die vor der Wahl gesetzt schienen, wurden im Koalitionsvertrag versenkt und sehr vage neu formuliert (Wohnen, Wissen, Wirtschaft), aber bereits kurz nach der Wahl von Senator Michael Müller wieder verändert, und dies ohne jede öffentliche Diskussion. Es sind aber auch Themen in das politische Rampenlicht gerückt, die vorher wenig Beachtung fanden. So hat die neue Koalition die Themen steigende Mieten und neue Wohnungsfrage entdeckt. Das ist richtig und wichtig, muss aber erst in stadtentwicklungspolitische Strategien eingebettet werden. Die Lösung aller Probleme, so der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit in den Richtlinien der Regierungspolitik vom 3. Januar 2012, soll das Stadtentwicklungskonzept 2030 bringen. Ein solches Konzept muss aber in einer breiten Öffentlichkeit diskutiert werden. Dies könnte in einem neuen, veränderten „Stadtforum 3.0“ geschehen.

Ein neuer Versuch: Stadtpolitik trifft Stadtforschung. Dialog zur Stadtentwicklung an der TU Berlin

Die Mieten in Berlins Innenstadtbezirken steigen drastisch. Gerade Szeneviertel wie Nord-Neukölln stehen unter massivem Druck. Foto: A. Hofmann

Die Mieten in Berlins Innenstadtbezirken steigen drastisch. Gerade Szeneviertel wie Nord-Neukölln stehen unter massivem Druck. Foto: A. Hofmann

Einen neuen Anstoß für eine breitere Diskussion über die Berliner Stadtentwicklung soll der Auftakt der Reihe „Stadtpolitik trifft Stadtforschung. Dialoge zur Stadtentwicklung an der TU Berlin“ mit dem Thema: „Stadtentwicklung: Berlin sieht schwarz-rot“ am 18.04.2012 geben. Dieser Auftakt stellt den Beginn eines hoffentlich fruchtbaren und lang anhaltenden Dialogs zwischen Wissenschaft und Politik dar. Unser Anliegen ist es, dass dieser Dialog kritisch-konstruktiv geführt wird, dass er zu einer veränderten Planungskultur in unserer Stadt beiträgt und dass die politischen Parteien das Themenfeld Stadtentwicklung nicht als Spielwiese für parteitaktische Grabenkämpfe ansehen. Zukünftig sollen weitere Akteure in die Diskussion einer Zukunftsvision für Berlin einbezogen werden. Die breite Zusage der Redner wie Podiumsdiskutanten und die Liste der Unterstützer der Veranstaltung zeigen, dass die Nachfrage nach einem offenen und konstruktiven Dialog groß ist.

Veranstaltet wird dieser erste Dialog von Think Berl!n, dem Center for Metropolitan Studies und dem Fachgebiet Planungs- und Architektursoziologie der TU Berlin. urbanophil ist Medienpartner der Reihe.

Auftakt am 18. April 2012: Berlin sieht schwarz-rot

Auftakt der Dialogreihe Stadtpolitik trifft Stadtforschung am 18. April 2012

Zu Beginn des Abends werden Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen verschiedener Disziplinen (alle zur Zeit oder ehemals an der TU Berlin beschäftigt) ihre Sicht auf aktuelle Themen der Stadtentwicklung darlegen.

Dabei geht es über die Kommentierung der aktuellen Botschaften der rot-schwarzen Koalition im Bereich der Stadtentwicklung und die Fragen nach einer transparenten und offenen Dialogkultur (Harald Bodenschatz) zu konkreten Orten und Projekten in der Stadt. So werden Perspektiven für den Ernst-Reuter-Platz als autogerechten Verkehrsknoten und gleichzeitigen Mittelpunkt des Wissenschaftsstandorts Charlottenburg erörtert (Angela Uttke), aber auch Auswirkungen der radikal veränderten Flughafenlandschaft für die Region Berlin-Brandenburg (Johanna Schlaack) angesprochen.

Zum bereits stark in die Kritik geratenen Leitprojekt des Regierenden Bürgermeisters, der Zentral- und Landesbibliothek, wird Rainer Hascher sprechen. Nicht nur der vorgeschlagene Standort und die wenig transparente Standortsuche wurden kritisiert, sondern auch die fehlende Klärung der Kosten für den Neubau wie für alternative Standorte.

Pünktlich zur 775-Jahr-Feier Berlins soll auch die Frage nach dem Umgang mit dem historischen Zentrum Berlins erneut auf die Tagesordnung gehoben werden, verbunden mit der Herausforderung eines zunehmenden Tourismus, der besonders die zentralen Bereiche der Stadt überformt (Jana Richter). Wie sensibel dieser Ort für die Stadtgesellschaft im Einzelnen ist, zeigt sich an der nicht abbrechenden Debatte über eine Neubebauung oder der Freihaltung des Rathausforums (urbanophil berichtete kürzlich), seit im Mai 2009 der ehemalige Senatsbaudirektor Hans Stimmann gemeinsam mit dem Architekten Bernd Albers einen weiteren Entwurf für eine Neubebauung in Anlehnung an den historischen Altstadt-Grundriss vorgelegt haben.

Zuletzt kochte die Debatte um den geplanten Neubau von Thyssen-Krupp neben dem geplanten Humboldt-Forum und um die Finanzierung des geplanten archäologischen Zentrums am Petriplatz hoch. Auch für diesen wichtigen Ort in der Stadt, der viele Brüche erlebt hat, bedarf es einer breiten Debatte um eine Zukunftsvision, die die gesamte Geschichte verarbeitet und einen Ort für alle Bürger und Besucher entstehen lässt.

Zuletzt wird eines der brennenden Themen in der Stadt aufgeworfen: Wie steht es um den Berliner Wohnungsmarkt und was bedeuten die im Koalitionsvertrag vereinbarten 30.000 neuen Wohnungen für die künftigen Wohnungsverhältnisse in Berlin (Bernd Hunger)? Cordelia Polinna (TU Berlin, Think Berl!n) wird wichtige Fragen als Einleitung für die Podiumsdiskussion in einem Impulsvortrag zusammenfassen. Auf dem Podium diskutieren Ephraim Gothe (Staatssekretär für Bauen und Wohnen), Stefan Evers (CDU), Antje Kapek (Die Grünen), Katrin Lompscher (Die Linken), Wolfram Prieß (Piratenpartei) und Cordelia Polinna (TU Berlin, Think Berl!n). Gerd Nowakowski vom Tagesspiegel wird diese Diskussion moderieren.