Adventskalender 2021 Franke Mitte Schloss Kuppel Inschrift

Dass im prominentesten Kulturbauprojekt Berlins bereits vor Baubeginn zwei Seelen in der Brust schlugen, schien bisher notwendiges Übel. Wie ein neugebautes Schloss nutzen? Mit der Eröffnung des Humboldtforums und zuletzt der Dachterrasse drückt sich der Konflikt nun bis in die Haarspitzen des Hauses hinauf, zur Kuppel. Die Gäste, die in den Ausstellungen zu Zeugen eines freien Kulturdialogs gemacht werden sollen, lesen auf dem Dach die Kuppelinschrift: “Im Namen Jesu beugen sollen sich derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind”. Eine Tafel aus Bronze ist es den Humboldtforumsbetreibern wert, um klarzustellen, dass sie mit diesem Projektelement nichts am Hut haben (wollen). Sie gehen auf Distanz, so weit dies eben möglich ist auf einer gerade einmal 400 Quadratmeter kleinen Fläche, auf der die Kuppel des Königs so übermächtig wie sonst nirgends in der Stadt wirkt. Hier ist der Kampf der Schlossplatz-Seelen kein Übel mehr. Die Reibung, der sich niemand zu entziehen vermag, bekommt einen Reiz, der unterhaltsam wird. Grob fahrlässig gehandelt haben die Kuppelstifter allerdings gegenüber einem anderen Haus. Das Thema der Religionen hat im Stadtkern doch vor allem das House of One gesetzt, das gleich um die Ecke entsteht. Der Grundstein für dieses “House”, das nichts Geringeres als Lessings gebaute Ringparabel verkörpert, wurde im Frühling gelegt. Diese enttäuschende Rücksichtslosigkeit – gegenüber der weltpolitischen Lage und gegenüber der eigenen Stadt – macht das Schlossbauprojekt auch 2021 nicht sympathischer.