Am Sonntag ging der letzte Flug von Tegel TXL in die Welt. Für alle Berliner*innen und Besucher*innen dieser Stadt ein Abschied mit Gänsehaut. Angesichts der Pandemie realisiere ich, dass ich meinen Abschied von Tegel bereits im letzten Spätsommer hatte – und wie jeden Flug von und nach Tegel genossen habe, als ob es der letzte wäre. Klar, der Abschied war ja nur ins gehofft Endlose verzögert worden und zudem kam ich damals von einer ganz besonderen Traumreise zurück.

Traumreisen begannen in Tegel immer schnell, fast unbemerkt. Weil der Flug von Tegel meist nur der erste, kürzere Teil einer Reise war, denn die großen Überseeflüge starteten lange kaum mehr von TXL, unserem kleinen, aber dafür umso berühmteren West-Berliner Flughafen. Und vor allem, weil Tegel der Flughafen der kurzen Wege war. In 30 Minuten vom BVG-Bussitz zum gebuchten Platz im Flieger, ohne Shoppingschleusen und Irrwege, das konnte nur Tegel.

Blick ins Buch: Aufnahmen von TXL aus den 1970er Jahren. © Park Books 2020

Der Schweizer Architekturbuchverlag Park Books hat dem jungen Baudenkmal nun in Zusammenarbeit mit dem Architekturbüro gmp eine Retrospektive gegönnt. In einem Essay beschreibt Jürgen Tietz die Bau-, Ideen- und Emotionsgeschichte des Flughafens und interviewt die Architekten von gmp zu diesem Projekt, das überraschender- und bekannterweise ihr Erstlingsprojekt war. Klaus Nickels, Volkwin Marg und Meinhard von Gerkan beteiligten sich 1965 als junge Absolventen der Architektur am offenen Wettbewerb für den Bau eines Passagierflughafens im West-Berliner Norden und gewannen diesen mit ihrem innovativen sechseckigen Modulbau – ohne, dass die drei jemals zuvor einen Bau realisiert hatten. Unbefangen ist man ja manchmal frohen Mutes, ganz wie beim Reisen in ferne Länder.

Die Attraktivität des großformatigen Buches liegt ganz deutlich auf den historischen Aufnahmen und Planzeichnungen. Diese rufen bei den älteren Leser*innen sicherlich einige Erinnerungen wach, den jüngeren sind sie Nostalgie und den Architekt*innen und Planer*innen erfüllen sie den lange gehegten Wunsch nach Einblicken in dieses verkehrsplanerische Gesamtkunstwerk. gmp haben tief in ihr Archiv gegriffen und Aufnahmen aus der Bauphase, dem Projektierungsbüro, der frühen Betriebsjahre und dem Originalinterieur zur Verfügung gestellt, die Rekonstruktionsgedanken hervorrufen könnten.

Blick ins Buch: Planzeichnungen und Modell. © Park Books 2020

Hübsch ist die Idee der Gestalter Büro Otto Sauhaus aus Berlin, den Hardcovereinband von den Farben Gelb, Grün und Rot der Flughafen-Signaletik her zu konzipieren, die Marg, Nickels und von Gerkan ebenso entworfen hatten. Damit wird das Buch zum Schmuckstück für das gut sortierte Bücherregal von Denkmalpfleger*innen, Architekt*innen und Designer*innen und all jener, die irgendwann einmal von Tegel aus verreist sind. gmp reisten ebenfalls von Tegel aus in die Welt. Offen bleibt am Ende allerdings, was aus Klaus Nickel wurde. Auf dem Backcover steht er neben Marg und von Gerkan, alle drei mit sechseckiger Brille und Samtanzug, bei den Biografien im Anhang des Buches allerdings fehlt er. Eine kleine Leerstelle in diesem sehenswerten Buch. Ob BER in 50 Jahren wohl auch eine solche Hommage bekommen wird?

Jürgen Tietz (Hg./Ed.): TXL Berlin Tegel Airport
1. Auflage, 2020
Text Deutsch und Englisch
Hardcover
248 Seiten, 112 farbige und 120 sw Abbildungen
23.5 x 31.5 cm
Park Books
38,00 EURO
ISBN 978-3-03860-202-6