Quelle: Berlinische Galerie

Gestern öffnete die Berlinische Galerie nach dem langen Lockdown ihre Glaspforte für BesucherInnen. Gezeigt wird – seit sechs Jahren nun endlich mal wieder – eine große Architekturausstellung: Anything Goes? Berliner Architekturen der 1980er Jahre. Damit setzt die Architektursammlung des Landesmuseums für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur die Aufarbeitung von Architektur und Städtebau der Nachkriegsmoderne fort, die sie 2015 mit der Schau “Radikal Modern” begonnen hatte. Für “Anything Goes?” haben die Kuratorin Ulla Müller und ihr Team die Museumssammlung durchforstet und zugleich mit zahlreichen ArchitektInnen und PlanerInnen zusammen gearbeitet, die damals für die Stadtentwicklung in Ost- und West-Berlin gewirkt haben: darunter beispielsweise Inken Baller, Michael Kny oder Dieter Bankert. Auch diese haben zahlreiche, bislang nicht gezeigte Entwürfe, Fotografien, Modelle und Schriftstücke aus ihren privaten Archiven gehoben, die die Schau und fortan auch, zumindest teilweise, die Sammlung des Museums bereichern.

Die Ausstellung beginnt mit einem Rückblick auf die ausgehenden 1970er Jahre, als Architektur und Stadtentwicklungspolitik der Moderne in die Kritik gerieten und erzählt in fünf Räumen von den Antworten, die die ArchitektInnen in den 1980er Jahren auf die drängenden Fragen zur Stadtentwicklung in beiden Teilen Berlins gaben. Schwerpunkte der Ausstellung sind damit die Internationale Bauausstellung 1987 (IBA 87; West-Berlin), die städtebauliche Restaurierung der geteilten Friedrichstraße und die Planungen für die Erweiterung der Ost-Berliner Großwohnsiedlung Marzahn. Zudem werden die Themen der ökologischen und sozialen Stadt sowie der Umgang mit der Stadtgeschichte, mit Erinnern und Gedenken aufgearbeitet. Themenkomplexe, die in den 1980er Jahren eine erste Blütezeit erfahren haben und die bis heute relevant sind in den städtebaulichen Debatten in Berlin und darüber hinaus.

Kreuzberg Tower von John Hejduk
John Hejduk, Moritz Müller, Diethard Engel: Wohnbebauung mit Atelierturm (“Kreuzberg Tower”), Charlottenstraße 96-98, Bauzeit 1986-88. Foto: Ludger Paffrath, Berlinische Galerie 2021.

Zum Wiederaufbau der Friedrichstraße wird ein ca. 15m langes Modell gezeigt, dass im Maßstab 1:200 alle 39 Bauprojekte darstellt, die die Ost-Berliner Baudirektion unter Erhardt Gießke damals für “ihren” Teil der Friedrichstraße plante. Die meisten, aber nicht alle Entwürfe wurden realisiert, einige sind schon wieder abgerissen; umso interessanter lässt sich das Modell entdecken und entschlüsseln. Zu Gebäuden wie John Hejduks Kreuzberg Tower (Foto) oder den städtebaulichen Planungen von Rob Krier für die Gegend rund um die Berlinische Galerie selbst hält die Ausstellung überraschende Studien und Zeichnungen bereit, an denen die gedankliche Tiefe deutlich wird, die hinter diesen Projekten steckt.

Wer nach dem Besuch der Ausstellung neugierig geworden ist und sich die 80er Jahre gerne in der Realität ansehen möchte, kann sich mit der Web-App zur Ausstellung auf den Weg machen. Unter dem Motto “Raus in die Stadt” beziehen die Kuratorinnen die Stadt als Museum mit ein – ein logischer und bereichernder Schritt, nicht nur zu Zeiten der Pandemie. Die Touren funktionieren wie ein klassischer Audioguide im Museum: Zu den einzelnen Bauten wurden erläuternde Texte eingesprochen, die man kapitelweise streamen kann. Momentan gibt es drei Routen. Zwei führen zu den Schauplätzen der IBA 87 in Kreuzberg SO36 / Luisenstadt und rund um die Berlinische Galerie, eine weitere leitet die BesucherInnen durch die Friedrichstraße, vom Mehringplatz bis zum Friedrichstadtpalast. Vielleicht gibt es ja bald noch ein paar mehr?

Anything Goes? Berliner Architekturen der 1980er Jahre
17.3.21 – 16.8.21
Mi – Mo, 10.00 – 18.00 Uhr

Berlinische Galerie
Alte Jakobstraße 124-128
10969 Berlin


Der Besuch der Ausstellung ist derzeit nur mit einem Zeitticket (2h) möglich. Informationen zur Buchung auf der Seite der Berlinischen Galerie.
Die Web-App kann natürlich rund um die Uhr genutzt werden.