Es ist ganz natürlich, dass große Bäume im Laufe ihres Lebens hin und wieder einen Ast fallen lassen. Manchmal wird er ihm auch rabiat genommen, wenn zum Beispiel der Blitz einschlägt. Dann hat der Baum Glück gehabt, wenn sein Stamm noch steht. Der Architekten- und Ingenieurverein zu Berlin zielt im Juni auf den drei Kilometer langen „Abzweig Steglitz“ und entlässt seine Ladung in Form eines publizierten Städtebauentwurfs. Er sieht vor, die Ex-Autobahn A104, die am Wilmersdorfer Hohenzollerndamm beginnt und hinterm Steglitzer Breitenbachplatz in die Schildhornstraße mündet, komplett abzureißen. Seit 2006 ist die Strecke zur Stadtstraße degradiert und existiert als halbtoter Brückenbau fort, mit eigenen Verästelungen, Verrankungen, Verirrungen. Blöcke sollen den freiwerdenden Stadtraum verdichten. Teilweise dehnen sie sich weit in die Fläche aus, zum Beispiel, wo das Heizkraftwerk Wilmersdorf steht; es wird rückgebaut. Die Architekten, zu denen auch Ex-Senatsbaudirektor Hans Stimmann gehört, rechnen mit 6.500 neuen Wohnungen, die entstehen könnten. Da der „Abzweig“ im mittleren Abschnitt auch als Tunnel unter dem gigantischen, aus den 1970er Jahren stammenden Wohnbaukomplex Schlangenbader Straße verläuft, verbindet sich mit dem Reurbanisierungsvorschlag die spannende Frage, wie dieses Riesengebilde, einem Baumpilz gleich, in die neuen Stadträume eingebettet und angebunden werden könnte. Angesichts der Erzfeindschaft Stimmanns mit der städtebaulichen Moderne bleibt zu beobachten, ob in künftigen, kühneren Plänen, der Pilz eventuell mit dem Ast gemeinsam zu Boden fällt. Der AIV schlägt einen internationalen städtebaulichen Wettbewerb vor. In diesem Gewitter von Geistesblitzen könnte durchaus die ganze A100 draufgehen.