Selfmade City, Jovis Verlag 2013

Selfmade City, Jovis Verlag 2013

STADTGESTALTUNG UND WOHNPROJEKTE IN EIGENINITIATIVE

Berlin ist seit vielen Jahren als Experimentierfeld für außergewöhnliche und unkonventionelle Stadtentwicklungsprozesse bekannt. Ungenutzte Brachflächen und freie Gebäudebestände wurden mit Zwischennutzungen belebt, durch Selbstaneignung übernommen oder von engagierten Raumpionieren entwickelt. Wohn-, Arbeits- und Freizeitfunktionen sind dabei mit selbstorganisierten und selbstbestimmenden Akteurskonstellationen gestaltet worden – mit Baugruppen, Genossenschaften oder anderen Projektformen. Genug Anlass für eine Publikation, die sich der entstandenen Vielfalt an urbaner Gestaltung und den architektonischen Qualität widmet: Mit SELFMADE CITY legen Kristien Ring, AA Projects und die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt eine Bestandsaufnahme von insgesamt 125 Wohn- und Stadtgestaltungsprojekten vor. Von den vorgestellten Wohnprojekten (119), werden 51 Projekte (meist Baugruppen) vertieft analysiert, davon 35 mit einem Steckbrief umfassend hinsichtlich ihrer Qualitätsmerkmale dokumentiert. Dabei kommen insgesamt zwölf Kategorien der Qualitätsbewertung zur Anwendung, von ökologischen und sozialen Aspekten, über urbane und nachbarschaftliche Interaktion, bis zur Bezahlbarkeit bzw. Kostengünstigkeit. Einem Best-Practise-Anspruch folgend wurden nur Projekte in die Betrachtung aufgenommen, die bereits ein Mindestmaß an Kriterien erfüllen. Um die Entwicklungsprozesse und den städtebaulichen Kontext in einzelnen Berliner Stadtgebieten aufzuzeigen, wurden die Projekte in neun Kartierungsgebieten unterteilt. Die Analysen sind zwar komprimiert, ermöglichen aber vor allem einen übersichtlichen Projekteinblick und bieten eine sinnvolle Orientierung im facettenreichen Feld selbstinitiierter Bauprojekte. Die Auswahl von Bild- und Planmaterial erfolgte hinsichtlich der projektspezifischen Lösungsansätze, etwa gemeinschaftlicher und kommunikativer Raumlösungen, flexibler Grundrisse oder Materialwahl. In der abschließenden Wertung geht es folglich auch nicht darum, Siegerprojekte zu küren, sondern die ausgemachten Selfmade-Qualitäten herauszustellen und schließlich um die Vermittlung innovativer und ganzheitlicher Architekturkonzepte. Denn die  Kernfeststellung des Buches ist: selbstinitiierte Projekte ermöglichen hohe, vielschichtige Qualitäten und bilden einen wünschenswerten Gegenpol zu Readymade-Projekten. Die Vermeidung von Verwertungsakteuren (Projektträger/ -Entwickler/ Makler,…), der Einsatz von alternativen Finanzierungsmodellen oder Selbstausbauvarianten, bedeutet also nicht nur Preisvorteile, Selfmade-Projekte sind vor allem eines: nutzerorientiert.

Das Buch resümiert allerdings nicht, dass die vorgestellten Projekte „das“ Konzept für eine zukünftige (Berliner) Stadtentwicklung bedeuten. Denn die (vorwiegend) betrachteten Baugruppen bieten dafür begrenzte Lösungsmethoden und sind bei gesamtstädtischer Betrachtung ein punktuelles Phänomen. Zudem sind einige Selfmade-Projekte durchaus Bestandteil von „Gentrifizierungs-„ und „Gated-Community-„ Debatten. Auch diese Debatten unterschlägt die vorliegende Publikation nicht, sondern bietet – unterstützt durch Kommentare von Akteuren und Experten – Grundlagen zur konstruktiven Diskussion. Formuliertes Ziel ist deshalb die Übertragbarkeit von Selfmade-Qualitäten auf klassische Akteure der Immobilienwirtschaft anzuregen – etwa auf Wohnungsbaugenossenschaften.

 

Selfmade City ist deshalb als Plädoyer für neue Planungsprozesse zu verstehen und vor allem ein Aufruf zu mehr Nutzerorientierung.

 

 

SELFMADE CITY
BERLIN: STADTGESTALTUNG UND WOHNPROJEKTE IN EIGENINITIATIVE 

Herausgeber: Kristien Ring, AA PROJECTS und Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, Berlin (Hg.)
DEUTSCH/ENGLISCH
224 Seiten
Jovis Verlag 2013
Format: 21 x 27 cm
Euro 29.80  sFr 38.80
ISBN 978-3-86859-167-5