Das vorliegende Buch über die „Geschichte von der guten Stadt“ ist ein bemerkenswerter Zugang im Nachdenken über Stadt und Stadtgesellschaft heutzutage, nähert sich Mara-Daria Cojocaru doch von einer für Stadtplaner und Architekten unüblichen Richtung dem Thema, nämlich über die Gedankenwelt der politischen Philosophie. In der langen Tradition der Stadttheoretiker ist dies insofern von doppelter Spannung, als dass, so die Autorin, sowohl die politische Philosophie die Stadt in der Regel ausklammert, wie auch, so die Erfahrung, die Stadtplanung und -entwicklung solche Zugänge nur in Ausschnitten aufnimmt. Der Zugang zur Stadttheorie wird über ein Zitat von Jürgen Habermas hergestellt, in dem er feststellt, dass sich der „Begriff der Stadt selbst überholt“ sei und dass sich die hiermit verbundene Lebensform mittlerweile überholt habe. Diesem Gedanken weiter folgend, entwickelt die Autorin nachgehend ein Analyseverfahren, wie eine neue Normativität vom guten Zusammenleben in der Stadt anhand von (utopischen) Erzählungen aufgespürt werden kann und inwiefern diese Ergebnisse für eine Weiterentwicklung von städtischen (Lebens-)Gemeinschaften nutzbar gemacht werden könnten.

Es ist das Ausgangsstatement des Buches, tradierte Blicke auf die Stadt aufzubrechen und zu zeigen,

dass es nicht einen konkreten Begriff der Stadt gibt, der sich anhand von bestimmten baulichen Strukturen und damit korrespondierenden politischen Institutionen festmachen ließe, und der gar mit wechselnden Lebensformen zusammenstimmen kann oder nicht. Vielmehr ist das rechte Verständnis von der Stadt darauf festgelegt, sie als einen Ausdruck der einen menschlichen Lebensform zu erkennen, die sich ganz offenkundig nicht nur aufgrund von Umweltbedingungen, sondern auch nach normativen Kriterien, bspw. des Guten, des Schönen oder des Wünschenswerten, verändert.

Es muss also gelten, dass

nicht die gebaute Umwelt das politische Klima bestimmt oder bedeutsame Formen von Gesellschaft hervorbringt – vielmehr verhält es sich andersherum.

Deshalb kommt gerade der Normativität im Nachdenken über Stadt besondere Bedeutung zu und es ist eine Stärke des Buches, eine Systematik zu entwickeln, wie dieser Zusammenhang zu verstehen ist. Zentralen Stellenwert nehmen dabei Erzählungen von der guten Stadt ein, die durch Utopien repräsentiert werden. Dabei wird vor allem auf Platon, Fourier, Le Corbusier und von Borries Bezug genommen, da diese Geschichten zentrale Elemente und Kriterien zur Klärung in sich tragen. Es wird aber auch gleichzeitig reflektiert, dass alle vorgestellten Erzählungen auf verschiedenen Ebenen kritisch gesehen werden müssen und in Hinblick auf ihren normativen Ursprung die maßgeblichen Werte vorwegnehmen sowie die Handlungsmöglichkeiten und den Fortlauf der Handlung in der Geschichte von der guten Stadt bestimmen. So bleibt am Ende der Publikation erst einmal festzustellen, dass eine Weiterentwicklung der Geschichte von der guten Stadt bedingt, dass „wir mehr über Möglichkeiten und Grenzen der Umgestaltung von Natur in Umwelt und über die Stadt als Mensch-Natur-Hybrid wissen, und dieses Wissen angemessen in unserem Verständnis vom gelungenen Leben verorten [müssen]“. Es muss also vorrangig die Möglichkeit gegeben werden, die eigene Lebensgeschichte, bzw. Identität zu entwickeln, als auch strukturell erkundet werden, wie verschiedene Individualitäten zu einer kollektiven Identität von Stadt verbunden werden können. Ein spannendes Projekt, das unbedingt weiterverfolgt werden muss. ; Die Geschichte von der guten Stadt Politische Philosophie zwischen urbaner Selbstverständigung und Utopie von Mara-Daria Cojocaru Juli 2012, 256 S., kart., 29,80 € ISBN 978-3-8376-2021-4 Reihe Edition Moderne Postmoderne Link zum Verlag