© Foto: Daniele Ansidei, Berlin Haludovo in Malinska /Krk Quelle: Daniele Ansidei

© Foto: Daniele Ansidei, Berlin
Haludovo in Malinska /Krk

Urlaub nach dem Fall – die Ausstellung

Holidays after the Fall – das Buch

Ferien in Kroatien, das war und ist für viele deutsche Urlauber die gut erreichbare und oft günstige Gelegenheit das Mittelmeer zu erleben. Deshalb erschlossen in den 1950er und 1960er Jahren die automobilen Touristen-Karawanen die nahen Adriaküsten. Analog wurde im ehemaligen Jugoslawien der Ausbau der touristischen Infrastruktur intensiviert und an der kroatischen Küste entstanden zahlreiche sozialistische Ferienanlagen.

Die Ausstellung „Urlaub nach dem Fall“ zeigt die Geschichte dieser modernistisch geprägten Architektur und fokussiert eindrucksvoll den Transformationsprozess, der mit dem Zerfall Jugoslawiens einsetzte. „Come and see the Truth“, mit diesem Ausruf Titos wird der Ausstellungsbesucher empfangen – ein Slogan mit dem Tito die großen Tourismusanlagen unter sozialistischer Selbstverwaltung als transnationale Begegnungsstätten bewarb – hier sollte der Erfolg des dritten Weges Jugoslawiens kommuniziert werden: im Gegensatz zu den real-sozialistischen Ländern hinter dem eisernen Vorhang war Jugoslawiens Politik von einem expliziten Internationalismus, offenen Grenzen, einer Wirtschaftspolitik zwischen Sozialismus und selbstverwalteter Marktwirtschaft und seiner führenden Rolle in der Vereinigung blockfreier Staaten gekennzeichnet. Historische Werbe-Aufnahmen der Agentur Touristkomerc zeigen hier die Modernität und Mondänität dieser Hotels, ebenso die unübersehbare Präsenz abstrakter moderner Kunst in ihren Innenräumen. Als orientierendes Element begleitet den Besucher eine Wand-Timeline, die dem Graphen der Nächtigungszahlen von Touristen in Kroatien folgt. Dieser stieg seit 1955 kontinuierlich an, knickte erstmals 1988 ein und fiel mit Kriegsbeginn 1991 auf einen vorübergehenden Tiefststand, von dem sich die Tourismuswirtschaft Kroatiens lange nicht erholen sollte: Nach der kriegsbedingten Zäsur von 1991 als die Tourismusindustrie zusammenbrach und die Mehrzahl der Hotels als Flüchtlingslager genutzt wurden, steigt der Graph der Nächtigungen mit dem Friedensvertrag von Dayton 1995 merkbar an. Zwar wurden einige Filetstücke der Tourismuswirtschaft bereits 1996 privatisiert. De facto beginnt die Privatisierungswelle aber erst 2000 nach den Neuwahlen die auf Präsident Franjo Tudjmans Tod folgten. Signifikante Re-Investitionen und die wenigen neuen Prestige-Projekte starteten ab 2004 und wurden ausgerechnet am Höhepunkt der Bankenkrise fertig gestellt. In dieser Phase der eingeschränkten Erholung und verspäteten Privatisierung endet der Graph der Timeline mit dem aktuellen Slogan der kroatischen Tourismuswerbung: “The Mediterranean As It Once Was”. Ausdrucksstarke Fotografien illustrieren diesen Zeitausschnitt: eine Aufnahme des Photographen Wolfgang Thaler zeigt die melancholische Ruine des im Krieg 1991 zerstörten und seitdem leerstehenden Hotel Pelegrin in Kupari, eines Erholungsheims der jugoslawischen Volksarmee südlich von Dubrovnik, das mit dem moderat nationalistischen Graffity „Kroaten kauft nur bei Kroaten“ verziert wurde. Das zweite Bild der Architekten 3LHD zeigt das großzügige Interieur des 2011 eröffneten Designhotels Lone, eines der wenigen neuen Leitprojekte des Landes bei dessen Gestaltung – ausnahmsweise – kaum gespart werden musste.

© Foto: Wolfgang Thaler Hotel Pelegrin in Kupari Quelle: Wolfgang Thaler

© Foto: Wolfgang Thaler
Hotel Pelegrin in Kupari

Das zweite Darstellungsinstrument der Ausstellung bildet eine Reihe aus Info-Stationen, welche die städtebauliche bzw. landschaftliche Anordnung der Hotel-Pavillons oder die zueinander versetzten Baukörper touristischer Architekturen zitieren. Hier werden 7 Fallbeispiele aus 7 Themenbereichen vorgestellt: Sozialtourismus, die übergeordnete Raumplanung, die Vielfalt der Typologien, Interieur, Kunst und Design, Serviced Apartments im Eigentum in Zeiten von Rechtsunsicherheit und Wirtschaftskrise sowie leerstehenden Resort-Ruinen. Dabei werden Aspekte der Planungsgeschichte und baulichen Transformation illustriert und auf zweiter Ebene die politisch-ökonomischen Hintergründe der durchaus eigenwilligen Privatisierungsprozesse mit Audio-Stationen kommuniziert. Denn es ist nicht unerheblich wer, wann und wie in den Besitz der Hotels und Resorts geraten ist und aus welchem Hintergrund die neuen Besitzer heute agieren – bezüglich der Betriebskonzepte, der Renovierung oder der Neugestaltung. Und so sind die verschiedenen Privatisierungskonzepte und Finanzierungsformen mit eigenen Gestaltungsformen und räumlichen Aneignungen verbunden. Zwei Einblicke: Am Beispiel des Hotel Valamar Lacroma auf der Halbinsel Babin Kuk wird die „übergeordnete Raumplanung“ veranschaulicht. 1963 beantragte die Jugoslawische Regierung bei den Vereinten Nationen Unterstützung für die Erstellung eines Entwicklungsplans für die gesamte Adriaküste und ihr Hinterland. Das Ergebnis waren drei große regionale Projekte (Jadranski projekti), die jeweils zwischen 1967 and 1972 erarbeitet wurden. Internationale Teams von Planern aus Ost und West wurden dabei mit lokalen Experten unterschiedlichster Disziplinen zu Arbeitsgruppen zusammengespannt. Gemeinsam wurden Analyse- und Darstellungswerkzeuge entwickelt und – dem Geist der Zeit entsprechend – grenzenlos optimistische, an uneingeschränktem Wachstum orientierte Entwicklungsplanungen vorantrieben. Dabei wurde jedoch für alle neuen touristischen Objekte (ausgenommen in Stadtgebieten) ein Abstand von 70 Metern von der Küstenlinie festgeschrieben – der Strand sollte als Gemeingut für alle zugänglich bleiben. Wäre es nach den internationalen Planungsteams gegangen wäre auf Babin Kuk das wohl größte und dichtest bebaute Resort der gesamten Adriaküste entstanden, in dem die damals boomenden Ideen eines streng strukturalistischen metabolistischen Stadtgewebes aus riesigen terrassierten Sichtbeton-Bauten entlang von überdachten Verbindungsachsen realisiert werden sollten – ähnlich wie sie Kenzo Tange 1965 für den Wiederaufbau von Skopje vorgeschlagen hatte. Dafür fehlten jedoch die finanziellen Mittel und der politische Wille. Der Auftrag für das Resort wurde 1970 trotzdem an ein großes international renommiertes Büro aus den USA vergeben, durchaus in der Absicht die Destination Dubrovnik in den USA zu bewerben.

Resort Haludovo, Malinska (Krk), Architekt Boris Magaš 1971 – 72Quelle: cnn-images

© cnn-images Zagreb, Resort Haludovo, Malinska (Krk), Architekt Boris Magaš 1971 – 72

Die Präsentation der Hotelanlage Haludova bei Malinska auf Krk widmet sich dem Thema der vielen „Resort-Ruinen“ entlang der kroatischen Küste. Haludovo ist deshalb so interessant, weil hier der prominente bis dahin explizit moderne Architekt Boris Magas im Gegensatz zu seinen bisherigen Projekten sehr unterschiedliche – teils gegensätzliche – Bautypologien und -Stile zu einem ganzheitlich komponierten Resort zusammengefügt hat, das neben spätmodernen sich auflösenden Raumkontinua auch die solide postmoderne Imitation eines Fischerdorfes beinhaltete (das – nebenbei erwähnt – als Kulisse für eine Kooperation mit dem amerikanischen Penthouse Magazin diente). Die Motivation seines Entwurfes erklärt der 82-jährige Architekt hier selbst in einem Videointerview. Nach der übereilten Privatisierung 1996 und mehreren Besitzerwechseln fiel das Resort schließlich an einen armenisch-russischen Tycoon, der mehrere Umbaupläne einreichte, dafür bislang aber keine Genehmigungen erhalten konnte. Inzwischen ist alles abgebaut was einmal von Wert war. Das Hotel stellt sich als eine melancholische Ruine spätmoderner Ferien-Architektur dar. Von kroatischer Seite wird die Ruine gerne als Argument gegen den Ausverkauf der Juwelen des Landes an skrupellose ausländische Investoren angeführt, von Investorenseite hingegen als Warnung aufgrund der mangelnden Rechts- und Planungssicherheit lieber die Finger von Kroatien zu lassen. Diese Unsicherheit lässt sich auch als Glückfall betrachten. Denn der kroatischen Adria wurde bislang das Schicksal der Küsten Spaniens, Bulgariens oder Montenegros erspart. Die Küste stellt sich zu großen Teilen (noch) als Museum spätmoderner Ferienarchitektur dar, in der sich auch ein Gesetz aus sozialistischen Zeiten erhalten hat, das den Exklusivitätsansprüchen von Investoren entgegensteht: der Privatisierung zum Trotz blieb in Kroatien der Küstenstreifen Gemeineigentum und der freie Zugang zum Meer für alle garantiert. Mit dem kürzlichen EU-Beitritt Kroatiens wird jedoch eine verlässlichere, investorenfreundliche Rechtslage erwartet und damit einhergehend ein Subventions- und Investitionsschub. Das bescheidene Guest House Helios, das Ryan S. Jeffery in seinem Video vorstellt, wird – entsprechend den Empfehlungen von professionellen Beratungsunternehmen und internationalen Förderinstitutionen – nach Ende der Saison 2013 abgerissen, um durch ein einvermeintlich ertragreicheres Vier-Sterne-Plus Hotel mit Ganzjahresnutzung ersetzt zu werden. Die von Michael Zinganel zusammengestellte und konzipierte Ausstellung erschließt dem Besucher einen neuen Blick auf die Tourismus-Architekturen der kroatischen Adria: Sie stellt zum einen mit sehr gelungenem Bild- und ausführlichem Planmaterial die modernistische Resort-Architektur der 1960er und 1970er Jahre und deren Qualität eindrucksvoll vor, gleichzeitig gelingt ein reizvoller Einblick in die andauernden – oft dramatisch bis kriminellen – Transformationsprozesse, die als beachtlicher Gestaltungsfaktor ablesbar werden.

Die Ausstellung ist noch bis zum 01. September 2013 in den nGbK-Räumen zu besuchen: Oranienstrasse 25, 10999 Berlin-Kreuzberg, www.ngbk.de

© Jovis, Holidays after the FallQuelle: Jovis Verlag

© Jovis, Holidays after the Fall

Parallel zur Ausstellung ist im Jovis Verlag das Buch „Holidays after the Fall“ erschienen. Thematisch fasst das Buch zwei Forschungsarbeiten zusammen, welche die Geschichte und den Transformationsprozess sozialistischer Urlaubs-Architektur untersuchen: Der eine Teil bildet den ergänzenden Katalogteil zur oben vorgestellten Ausstellung und vertieft die Analyse zur Resort-Architektur an der kroatischen Adria. Der andere Teil basiert auf den Forschungsarbeiten von Elke Beyer und Anke Hagemann, die sich mit der Hotel-Architektur an den Küsten Bulgariens intensiv befasst haben und sich besonders dem Thema baulicher Typologien und der Analyse der räumlichen Qualitäten widmen. Durch die beiden Teile der Publikation (Bulgarien/Kroatien) wird ein Vergleich der jeweiligen sozialistischen Tourismusstrategien ermöglicht, der sich dann in der unterschiedlichen Ausformulierung der postsozialistischen Transformationsprozesse weiterspannt. Beeindruckend ist deshalb vor allem die Vielfalt ökonomischer und physischer Umgestaltung, die dem Wechsel der Regime, angeschlossener Verteilungsprozesse und Privatisierung der Betriebe folgten: dies reicht von fotogenen Ruinen über Formen sensibler Renovierung bis hin zu exzessartigen Überbauungen und fraglich postmodernen Kitscharchitekturen. Das ausführliche Bild- und Planmaterial ermöglicht einen detaillierten Themenzugang – die ergänzenden historischen Farbfotos geben einen nostalgischen Rückblick und werden schließlich durch aktuelle Aufnahmen kontrastiert.

Holidays After The Fall

Seaside Architecture and Urbanism in Bulgaria and Croatia

Jovis Verlag, August 2013

Herausgeber: Michael Zinganel, Elke Beyer, Anke Hagemann (Hg.)

Autoren: Elke Beyer, Anke Hagemann, Norbert Mappes-Niediek, Maroje Mrduljaš und Michael Zinganel

Sprache: Englisch 272 Seiten mit zahlr. farb. und s/w Pläne und Abbildungen

Euro 29.80 sFr 38.80 ISBN 978-3-86859-226-9