Was genau ist eigentlich Mapping? Was hat das mit Film zu tun? Und vor allem: Was hat das mit Landschaft zu tun?

Abb.: Cover Filmic-Mapping, mit freundlicher Genehmigung des Jovis Verlags

Abb.: Cover Filmic-Mapping, mit freundlicher Genehmigung des Jovis Verlags

Während ich das Buch „Filmic mapping. Documentary film and the Visual Culture of Landscape Architecture “ las, saß ich einige Male im Café und wurde dort gefragt, worum es sich denn bei dem Inhalt des Buches handle. Als ich erklärte, dass sich das Buch mit Landschaft auseinandersetzt, schaute ich in fragende Gesichter. Wie Landscript 1 hat auch die zweite Ausgabe dieser Reihe ein auf den ersten Blick schlicht gestaltetes Cover mit schwarzer Typographie auf weißem Hintergrund – ohne Abbildung, wie wir es eigentlich im Zusammenhang mit Landschaft gewohnt sind. „Filmic mapping“ hat allerdings nicht wie der erste Band eine vorwiegend haptisch erlebbare Oberfläche, sondern –  bezugnehmend auf das Thema dieser Ausgabe – einen Einband, der ähnlich einem Bildschirm reflektiert und flimmert. Mit diesem Einband setzen die Herausgeber von Landscript also das der Reihe grundlegende Hinterfragen bestehender Formen der Wahrnehmung, des Begreifens und der Repräsentation von Landschaft, fort.

Beim ersten Durchblättern von „Filmic mapping“  fallen mir die vielen Überschriften, Unterüberschriften und einzelnen Begriffe ins Auge, die verschiedenste Formen von (Fort-)Bewegung beschreiben und die auf die möglichen, vom wahrnehmenden Subjekt erlebbaren Standpunkte im Bild sowie vor dem Bild hinweisen. Hiermit wird schnell deutlich, dass der Autor Fred Truniger in diesem Buch einen Paradigmenwechsel in der Auseinandersetzung mit der Landschaft beschreiben möchte. Es geht um einen Paradigmenwechsel, der von der Landschaft als feststehendes Bild, d.h. dem rein ästhetischen und distanzierten Erleben von Landschaft, hin zu einem dynamischen Verständnis bestimmt ist. Durch die bewegten Bilder des Films und deren Effekt auf den Betrachter wird Landschaft ganz anders deutbar. Dieses in dem Buch beschriebene Auflösen der Körperhaftigkeit, d.h. der Immersion, weist darauf hin, dass für diese Form der Landschaft das Erleben und die Erfahrung des Individuums Im Raum maßgeblich konstitutiv zu sein scheint, wodurch sich die Maßstäbe in Bezug auf den großen Raum Landschaft verändern, bzw. anders gedacht werden müssen. Mit dem Ansatz des „filmic mapping” will der der Filmwissenschaftler Truniger die von ihm genannte Diskrepanz zwischen den gegenwärtigen Anforderungen und den Voraussetzungen, unter denen Landschaft dabei grundsätzlich noch begriffen und diskutiert wird, aufheben. Die Schwerpunkte des Buches liegen hierbei sowohl in der kontextgebundenen Sicht auf die Landschaft, als auch auf der phänomenologischen Analyse der experimentellen Qualität von Filmen.

Das Buch ist entsprechend der Schwerpunkte in zwei Hauptteile unterteilt, die insgesamt acht Kapitel beinhalten. Teil I legt die theoretische Grundlage für Teil II, indem hier zunächst das gegenwärtige Verständnis von Landschaft hinsichtlich unserer Kultur der visuellen Wahrnehmung nachvollziehbar gemacht wird. Im ersten Kapitel wird damit begonnen, ganz grundlegend die eigene Profession hinsichtlich ihrer landschaftstheoretischen Ansätze in Frage zu stellen und dabei in neue Richtungen zu weisen. Die Landschaftstheorie wird hierbei als eine komplexe Wissenschaft angesehen, bei der es u.a. darum geht, sozialwissenschaftliche Methoden zu integrieren, die vor allem qualitativer Natur sind. Die anderen zwei Kapitel des ersten Teils setzen sich mit der Rolle des Bildes in der Landschaftsarchitektur auseinander. Es werden Theorien entwickelt, die das Verhältnis der Gesellschaft zu Landschaft als vorwiegend von Medien und Technologien vermittelt beschreiben. Eine Aufgabe wird darin gesehen, eine Übereinstimmung zwischen dem professionellen Verständnis von Landschaft und der gegenwärtig von Transformationsprozessen bestimmten Welt hin zu einem neuen alltäglichen Verständnis von Landschaft zu schaffen. Das Medium Film sei hierfür besonders geeignet, da es in der Lage ist, die drei grundlegenden Aspekte „konstante Transformation, Aufhebung des Gegensatzes Stadt/ Land und das Immersive“ darzustellen.

Darauf aufbauend werden im zweiten Teil ausgewählte Dokumentar- und Essayfilme beschrieben und analysiert. Der „Blick“ der Kamera wird gleichgesetzt mit dem Blick des Zuschauers, wobei Fortbewegungsarten und damit einhergehende Geschwindigkeiten eine wichtige Rolle im Erleben von Landschaft spielen. Die Abbildungen in „Filmic mapping“ bewegen sich im Spannungsfeld von unbewegt erscheinenden Portrait-Aufnahmen,  kompositionellen Aufnahmen von Landschaften bis hin zu wie beiläufig aufgenommene Szenen. Durch diese verschiedenen Aufnahmen wird dem Leser ebenfalls deutlich, dass es um ein Umdenken bezüglich der Maßstäbe in der Auseinandersetzung mit Landschaft geht.

In diesem Buch wird Landschaft als ein Konstrukt propagiert, welches nicht mehr nur Bild und UmWelt, sondern ein In-der-Welt-sein für das Individuum bedeutet. Landschaft wird damit zu einem integrativen Konzept. So ist wohl auch das „filmic mapping“, das „filmische“ mappen zu verstehen; es geht um die realitätsgetreue Erfassung von Landschaft, die unserem alltäglichen Leben näher kommt. Daher irritierte mich zunächst der sehr wissenschaftlich-stringente Aufbau des Buches, der dem Prinzip der „dynamischen Landschaft“ entgegenzustehen scheint. Einzig  über die Abbildungen wird das immersive Moment beim Lesen des Buches in Ansätzen erfahrbar. Doch es geht wohl genau um dieses Spannungsverhältnis im Begreifen von Landschaft. Die bildhafte Vermittlung und damit in gewisser Weise abstrakt und draußen bleibende Landschaft muss durch direktes Erfahren dieser ergänzt und verdichtet werden. Dieses Dazwischen ist mit den gängigen wissenschaftlichen Methoden schwer zu fassen. Um dabei ein Sich zurechtfinden zu gewährleisten, wird solch eine stringente Herangehensweise nicht zu umgehen sein. Wie in dem Buch mehrfach zu lesen ist, geht es in Zukunft demnach darum, Landschaft im Sinne von „Lesen von Hinweisen“  zu verstehen. Filmic mapping“ gibt vielseitige Hinweise darauf, wie wir Landschaft in Zukunft lesen können und achtet dabei im mehrfachen Sinne immer den Punkt, an dem wir gerade stehen.

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„Landscript 2: Filmic mapping. Documentary Film and the Visual Culture of Landscape Architecture”

 

Autor: Fred Truniger

Herausgeber: Christophe Girot und Albert Kirchengast

Erschienen im Jovis Verlag (Januar 2013)

ENGLISCH

Broschur, 295 Seiten mit zahlreichen Abbildungen

Preis € 28,00

ISBN 978-3-86859-211-5

http://www.jovis.de/

http://www.jovis.de/index.php?idcatside=3633&lang=1

Die Autorin Andrea Respondek hat Landschaftsplanung/Landschaftsarchitektur an der TU Berlin studiert. Besonders gerne beschäftigt sie sich mit Themen rund um Raumwahrnehmung – den Bildern, die wir uns von Stadt und Land machen, dem Mapping und möglichen Formen der Beteiligung.