Ob Spanien oder Italien, Hauptsache Madrid.

von Verena Pfeiffer-Kloss und Anna Galda

Gran Vía Madrid

Madrid ist bekanntlich die Hauptstadt Spaniens. 3 Millionen Menschen sind hier gemeldet, 5.000 teilen sich jeweils einen Quadratkilometer der hügeligen Stadtfläche. So ist Madrid dicht bebaut und oftmals auch ziemlich in die Höhe strebend. Die Straßen schlängeln sich beinahe arabisch und sind doch lange, weitläufige und sonnige städtische Bühnen. Auf den Kopfsteinpflastern der kleineren Straßen und an den Rändern der Plätze hat kaum ein Auto Platz, entsprechend ungestört ist hier das quirlige Perlen der spanischen Sprache. Bar an Bar, Restaurant an Restaurant, Kioske, Designläden und Modelabels, lokal, national, international. Stühle, Tische, Leute. Sangría mit frischen Apfelstücken, Gin-Mixgetränke mit Erdbeeren in hohen, bauchigen Gläsern, Sonne im Gesicht, nie Gedränge. Eigenartig: Madrid riecht nicht. Völlig clean, neutral und nur ab und an ein Duft von Tapas und Kaffee.

Innenhof des COAM mit Blick auf die Ausstellungsflächen

Innenhof des COAM mit Blick auf die Ausstellungsflächen

Beginnen könnte man Tage in Madrid bei einem Mittagslunch (meist sehr günstig und gut) im Bosco de Lobos nahe der Metrostation Chueca. Ein bisschen chic, aber ausgezeichnetes Drei-Gänge-Mittagsmenü (15 Euro) in einer Mischung aus spanischen und italienischen Ideen. Das Beste aber: die Architektur des Hauses, in dessen Innenhof das Bosco de Lobos liegt. Das COAM (Colegio Oficial de Arquitectos de Madrid) hat seine Büros und große Ausstellungsflächen inklusive Dachterrasse in einem lichtdurchfluteten zeitgenössischen Bau mit grünem Innenhof, der sich überraschend gut hinter einer historischen Fassade versteckt hält. Im Bosco sollte man reservieren und um einen Platz im Wintergarten bitten, denn dort kann man neben dem Bücherregal sitzen und – daher nun auch der Tipp, hier zu starten – in Architekturbüchern über Madrid schmökern und sich so die Ziele der nächsten Tage heraussuchen. Wir waren leider erst kurz vor dem Rückflug dort und müssen wohl nochmal nach Madrid.

Restaurant Bosco de Lobos im Innenhof des COAM

Restaurant Bosco de Lobos im Innenhof des COAM

Alternativ gibt es in der Calle de Bailén, in der Nähe der Kathedrale und des Königsschlosses eine kleine Buchhandlung, die relevante Literatur zur Stadtentwicklung und Architektur Madrids führt. Gleich nebenan kann man in einem richtigen Touristengeschäft Likör probieren, der aus den Früchten des Erdbeerbaums (Madroño) gewonnen wird. Der Madroño ist der angebliche Namensgeber der Stadt, im Wappen nascht ein Bär vom Erdbeerbaum. Der Likör ist ganz lecker, die Marmelade nicht so gut.

Und wo wir schon beim Tourismus sind: in Madrid gibt es nicht viele internationale Stadtbesucher und auch kaum ein touristisches Leitsystem. Es gibt also noch viel selbst zu entdecken und wenige Touristenfallen. Eine aber sind die Zeiten freien Eintritts in die Museen El Reina Sofia und Museo del Prado. Beide Museen sind sehenswert und ausgesprochen groß, sodass wir uns auf den Besuch des Reina Sofia (Kunst ab 1900) beschränkt haben.

Bibliothek im Erweiterungsbau des Museums Reina Sofia

Bibliothek im Erweiterungsbau des Museums Reina Sofia

Einen abendlichen kostenfreien Zugang haben wir genutzt, um uns einen groben Überblick über das Haus und die Sammlung zu verschaffen und beschlossen, am Sonntagnachmittag wiederzukehren, wenn von 13.30 bis 19 Uhr freier Eintritt ist. Leider war es rund um Picassos Guernica, den spanischen Expopavillon von 1937 oder das Triadische Ballett Oscar Schlemmers laut wie im Pausenhof einer Schule und die wunderbare Sammlung postmoderner Kunst, insbesondere Installationen und Skulpturen, sowie die Dachterrasse im neuen Anbau von Jean Nouvel (2001-2005) blieben zu unserer großen Enttäuschung aufgrund des Besucherandrangs geschlossen. Außerdem sind die Besucherführung und die Kontextualisierung der Kunstwerke noch ausbaufähig. Vor allem die Werke spanischer Künstler blieben schwer zugänglich, wenn einem, wie uns, die spanische Geschichte nur oberflächlich geläufig ist. Tipp hier: viel Zeit mitbringen, 8 Euro Eintritt zahlen und vorab ein wenig Geschichtsnachhilfe über Spanien nehmen. Die ausgestellten Kunstwerke sind diese kleine Mühe wert.

Fußball MadridQuelle: Anna Galda

Was sich im Übrigen nicht lohnt sind die Dachterrassenbars. Das Leben spielt auf den Plätzen und in den Straßen. Nett: Plaza de Santa Maria Soledad Torres Acosta mit seiner Mischung aus Gründerzeit, Moderne und Nachkriegsmoderne und den fußballspielenden Kindern aus der Nachbarschaft. Oder die Plaza de San Ildefonso (M Tribunal). Ein bisschen hip, mit vielen jungen Menschen, Sushi, Burger, Tapas und natürlich Cerveza, Gin y Sangría. Allerdings keine Pommes zum Burger, sondern Chips. Angeblich, da Pommes frites zu stark riechen… In dieser Ecke lässt sich auch ganz gut wohnen und Klamotten shoppen, Vintage und neu, in vielen kleinen Läden.

In der Nähe der Metro Tribunal

Rund um M Tribunal…

Die Madrilenen machen am Wochenende gerne kleine Ausflüge, also haben auch wir einen gemacht und sind mit dem Bus (ab Metro Moncloa, BUS Autocares Herranz 661, 664 und 660) ins Valle de los Caídos, ca. eine Stunde nördlich von Madrid gefahren. Bus und U-Bahn funktionieren übrigens wie am Schnürchen, wobei die U-Bahnhöfe leider keine echten Perlen sind. Aber so sauber wie alles in Madrid…

terasse valle

In den Bergen über Madrid. Aussichtspunkt oder Aufmarschplatz?

Das Valle des los Caídos ist für einige Spanier einfach ein Ausflugsziel mit toller Aussicht, für andere eine Pilgerstätte, für weitere ein bedrohlicher Ort, oder ein riesiges Grab, oder eine Kirche, ein Denkmal für gefallene Soldaten, ein Mausoleum für Franco und den Gründer seiner Partei, ein Kloster und das höchste christliche Kreuz der Welt. Etwas unentschieden? Ja, so fühlte sich der Umgang der Besucher mit dem Ort an.

Eingang zur Basilika unter dem größten Kreuz der Welt.

Eingang zur Basilika unter dem größten Kreuz der Welt.

In den Bergen nördlich von Madrid, in der Nähe des touristischen Städtchens San Lorenzo de El Escorial ließ der spanische Diktator Franco von 1940 bis 1959 von Zwangsarbeitern eine in Gänze unterirdische Basilika in den Berg treiben. Über ihr ragt ein 150 Meter hohes Kreuz in den Himmel, das bereits von der Autobahn kurz hinter Madrid zu sehen ist. Die Basilika ist von einem Vorplatz aus zugänglich, der mehrere Hunderttausend Menschen fassen kann und eine solche Anzahl an Kondolenten am Tag der Bestattung Francos im Jahr 1975 auch aufnahm. Auf der Rückseite des Berges ließ Franko im Sinne seines nationalkatholizistischen Systems und in Anlehnung an den benachbarten ehemaligen königlichen Regierungssitz El Escorial (da man ohnehin vorbeikommt: Gärten und Aussicht sind sehenswert!) ein Kloster anlegen, dessen Mönche die Kirche bespielen und die Gräber und Altäre mit frischen Blumen versorgen.

valle basilika

Das verbotene Foto: Basilika, Blick in Richtung Apsis.

Franco meinte den Ort als Gedenkstätte für 30.000 im spanischen Bürgerkrieg gefallene (frankistische) Soldaten. Vor der Weihung der Basilika setzte die katholische Kirche noch die Beisetzung einiger Gefallener der Gegenseite durch. Die Herrschaftsarchitektur der Anlage aber lässt weder Trauer noch Besinnung, Reue oder Erlösung zu, die Basilika gleicht einem römischen Imperatorenpalast und lässt jegliche Transzendenz vermissen. Kein sakraler Ort der Zuflucht und Einkehr, sondern eine Halle, die davon brüllt, dass man jederzeit wieder in den Krieg ziehe. Die christlichen Kreuze, Skulpturen und Malereien sind nichts als Fassadenschmuck, würde man sie durch Hakenkreuze, eiserne Kreuze, Hammer und Zirkel oder andere Symbole oder auch den Hauptaltar durch den Sarg des Diktators ersetzen – den Charakter der Halle würde es nicht verändern. Zur bemerkenswert unbeschwerten Freizeitnutzung dieses vielschichtigen Denkmals trägt der Funicular zum Kreuz noch bei. Tipp: unter der Woche hinfahren, denn dann verkehren mehrere Busse pro Tag und man hat genügend Zeit, sich neben Basilika und Kreuz auch das Kloster und die umgebende verfallende Freizeitarchitektur der 1960er Jahre anzuschauen.

valle kreuz

Zurück nach Madrid und in die Sonne. 2012 wurde der Park Rio Madrid eröffnet. Entlang des Flusses Manzanares wurden die Autobahnen unter die Erde gelegt und die neu entstanden Flächen regionaltypisch begrünt sowie mit Radspuren, Spazierwegen, Spielplätzen und Skaterbahnen versehen. So ist ein urbaner Park entstanden, der mit seiner Grundflächenform seine Vergangenheit als Stadtautobahn noch deutlich zeigt. Trotz der Einrichtungen vieler Radstreifen in der Stadt blieb übrigens das Radfahren eine Randerscheinung, die dafür umsomehr im Río stattfand. Ein Spaziergang lohnt unbedingt, vielleicht von der Metrostation Pirámides in Richtung Südosten zur Metro Legazpi.

mataderoDann nämlich endet der Spaziergang im umgenutzten Schlachthof Matadero. Dieser war noch bis 1996 in Betrieb, wie die kleinen Ausstellungstafeln vor Ort erzählen, und wurde seitdem nach und nach kulturellen Nutzungen überführt. Heute kann man (oft kostenfreie) Ausstellungen ansehen, Menschen bei der Kreativarbeit zusehen, Kaffee trinken und abendliche Veranstaltungen besuchen.

Am schönsten genießen kann man die Stadt, wenn man es macht wie die Madrilenen: Spazieren, spazieren, spazieren und auf einem der hundert dabei entdeckten Plätzen in eine Bar einkehren.

Noch ein paar architektonische Lieblinge:

Neues Zentrum mit Bibliothek und Markthalle nähe Metro Alonso Martinez.

Neues Zentrum mit Bibliothek und Markthalle nähe Metro Alonso Martinez.

Palacio de Cristal im Retiro Park, Ricardo Velázquez Bosco, 1887.

Palacio de Cristal im Retiro Park, Ricardo Velázquez Bosco, 1887.

Der ehemalige Bahnhof Atocha, heute ein Tropenhaus

Der ehemalige Bahnhof Atocha, heute ein Tropenhaus

The Carrión building, Luis Martínez-Feduchi Ruiz and Vicente Eced y Eced, 1933.

The Carrión building, Luis Martínez-Feduchi Ruiz and Vicente Eced y Eced, 1933.

Wohnhaus nähe Metro Colon.

Wohnhaus nähe Metro Colon.

Wirtschaftsclubhaus bei Metro Colon. Schönes Interieur...Quelle: Anna Galda

Wirtschaftsclubhaus bei Metro Colon. Schönes Interieur…

Treppenhaus im Caixa-Forum, Herzog und de Meuron, 2008.

Treppenhaus im Caixa-Forum, Herzog und de Meuron, 2008.

Weithin sichtbares Hochhaus der Caixa Bank an der Paseo del Prado.

Weithin sichtbares Hochhaus der Caixa Bank an der Paseo del Prado.

barcelo

Ehemaliges Theater nähe Metro Alonso Martinez.

rio madrid

Am Rand des Río.

Eine Rückseite an der Plaza España.

Eine Rückseite an der Plaza España.