Ein Gastbeitrag von Sebastian Strombach

RENATE in der Torstraße © Paul Winck und Sebastian Strombach

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie, das ist nicht neu, bedrohen die urbane Kultur auf allen Ebenen. Die ohnehin stattfindende Verdrängung oder oft gleich die Schließung besonderer Orte – vom Kiosk bis zum Buchladen, Freiräume für spontane Aktionen sowie etablierte Kunst- und Kulturorte – aufgrund der seit Jahren immens und offenbar unaufhaltsam steigenden Immobilienpreise wird durch die Pandemie nochmals verschärft. Als Netzwerk für urbane Kultur sind wir von dieser Entwicklung betroffen. Im realen wie im übertragenen Sinn. Daher wollen wir nun stärker auch wieder Plattform sein für die Zukunft der urbanen Kultur, über unseren bisherigen Fokus auf den Erhalt baulicher Zeugnisse hinaus. Unserem Gastautor Sebastian Strombach (Zeichner und Autor des Comics “Verrückt. Der Comic zum Berliner Schloss“) liegt als Comiczeichner eine einzigartige Bibliothek besonders am Herzen: die RENATE. Ein Gastbeitrag von Sebastian Strombach.

Die RENATE, Berlins einzigartiges Zentrum für Comics, die einzige und einzigartige Comic-Bibliothek Berlins ist durch die Corona-Krise in ihrer Existenz bedroht. RENATE ist Treffpunkt der lokalen und internationalen Comicszene, bietet Zeichenkursen für Kinder und Erwachsene einen Raum, ist Heimatbasis des Festivals ComicInvasion und vieles mehr. Nun kann man sich fragen, wieso auf dieser Plattform gerade auf diese bedrohte Kultureinrichtung hingewiesen wird. Wo doch auch so vielen anderen das Wasser bis zum Halse steht. Natürlich bin ich als Gastautor und Comiczeichner voreingenommen. Doch ich bin auch ein Erzähler von städtischen Orten und architektonischen Ideenwelten und überzeugt davon, dass Kultur darin ihren Platz haben muss. Und Bibliotheken, das ist unstrittig, sind wichtige Orte der Kultur und Begegnung in der Stadt. Diese sollten nicht irgendwo, in unscheinbar versteckten und halböffentlichen Räumen städtischer Infrastruktur wie Volkshochschulen, Universitäten sein. Nein! Ganz präzise in der Mitte der Stadt, öffentlich, sichtbar, mit Laufkundschaft und spontanen Begegnungsmöglichkeiten, und hier ganz konkret in der Tucholskystraße 32, Spandauer Vorstadt. Und spezialisierte Bibliotheken – an diesem Ort geht es um Comic! – sind ganz eindeutig wertvoller Baustein des Urbanen.

Insgesamt gesehen gibt es in Deutschland ohnehin nur wenige Orte, die exklusiv dem Comic gewidmet sind. Diese sind beispielsweise das Erika-Fuchs-Haus – Museum für Comic und Sprachkunst im bayerischen Schwarzenbach; das Berliner Museum Europäischer Kulturen widmet dem Comic Workshops und Sonderausstellungen. Aber darüber hinaus? Sind dann also die Comicläden die Begegnungsorte der Szene? Die RENATE ist auch ein Comicladen, allerdings für selbstgemachte Zines, Siebdrucke und anderes, das von den Zeichnern selbst hergestellt wird. Ein Comicladen ist kein Ort wie ein Theater, ein Museum oder z.B. wie die pompöse Wannsee-Villa des literarischen Colloquiums (das übrigens schon wiederholt den Comicmenschen seine opulenten Räumlichkeiten überlassen hat). In der RENATE aber sind Comics nicht zu Gast, hier sind sie zu Hause!

Die RENATE ist zum Teil öffentlich gefördert, beispielsweise durch den Hauptstadtkulturfonds, zum Teil funktioniert sie als Comicladen. Und vor allem hat sie nicht das Glück, wie die öffentlichen Bibliotheken, in einem städtischen Gebäude ansässig zu sein. Der Rest liegt in den Geschicken dieser Tage und ist allzu bekannt. Die seit mehreren Wochen andauernden und erfolgreichen Rettungsaktionen verschiedener Menschen unterstreichen die Bedeutung der RENATE für die kulturelle Szene Berlins und darüber hinaus. Das Echo in den Medien ist enorm. Viele Menschen haben aus eigenen Antrieb Initiativen gestartet, Spenden sind eingetroffen und die akute Not der RENATE ist vorerst gemindert. Die schönsten Momente der Rettungsaktionen in den letzten Wochen waren die, in denen die Comicmenschen miteinander gesprochen haben, in denen wir unsere Geschichten zur RENATE ausgetauscht haben. Jede*r hatte einen anderen Grund, eine andere Zeit, eine andere Erzählung, die ersiees mit der RENATE verband. Uns ist gerade durch diese Krise nochmals bewusst geworden, wie ungeheuer wichtig die RENATE für die Berliner Comicszene ist – ein persönlicher und kollektiver Ort, eine starke Basis für die Zukunft der zeitgenössischen Comicszene.

Große Zukunftsvisionen gibt es für die RENATE auch institutionell. Der Deutsche Comicverein hat das längerfristige Ziel, ein Comicinstitut aufzubauen, in dem die RENATE ein wichtiger Baustein sein soll. Die Bündelung von Comicbibliothek, Raum für Ausstellung, Workshops, Seminaren, wissenschaftliche Arbeiten, Vorträge und Treffpunkt von Comicschaffenden an einem Ort ist eine Vision, die vor wenigen Wochen plötzlich völlig unrealistisch erschein. Doch seien wir realistisch, schaffen wir das Unmögliche – und auf das Unmögliche lautet die Antwort ganz einfach: RENATE.

Wer die RENATE direkt unterstützen will kann hier spenden (gegen Spendenquittung):
IBAN: DE16 1001 0010 0004 2961 03
Paypal: 24h@renatecomics.de

Die RENATE ist auch während der Pandemie geöffnet. Ein Leseausweis für die Bibliothek ist auch eine kleine finanzielle Hilfe für den Erhalt der Renate. Die aktuellen Öffnungszeiten finden sich auf der Homepage der RENATE.