Quelle: © Kongress am Park, N. Liesz

Augsburger Kongresshalle, © Kongress am Park, N. Liesz

Ein solch klares Bekenntnis zur Architektur der 1970er Jahre wie es in Augsburg der Fall ist, findet sich nicht oft. Viel zu selten ist die Grundhaltung gegenüber Bauten dieser Zeit positiv, und noch viel seltener geradezu liebevoll, wie es bei der Kongresshalle der Fall ist.

Die Augsburger Kongresshalle steht auf einem traditionsreichen Platz, dessen Geschichte 1886 mit der “Schwäbischen Kreisausstellung” begründet wurde. Nach Ende der Ausstellung wurden die ehemals landwirtschaftlich genutzten Flächen zwischen dem “Sankt Georgen-Acker” und dem “Rosenaufeld” (heute Gögginger Straße und Rosenauberg) im Südsüdwesten der Augsburger Innenstadt, zu einem Vergnügungs- und Erholungsplatz für die Augsburger Bürgerschaft umgebaut. Der Stadtgarten mit seinem vielfältigen Kultur- und Freizeitangebot war geboren. Den architektonischen Mittelpunkt bildete die Sängerhalle, die nach einem Brand 1910 durch den 1914 von Stadtbaurat Otto Holzer entworfenen “Ludwigsbau” ersetzt wurde.

Der Ludwigsbau im Augsburger Stadtgarten, Postkarte nach 1914Quelle: © Augsburgwiki, Thomas Werthefrongel

Der Ludwigsbau im Augsburger Stadtgarten, Postkarte nach 1914

Der historistische Kuppelbau diente rund 50 Jahre als Konzert- und Veranstaltungsbau inmitten des großzügigen Parkgeländes. In seiner Gestaltung mit den geschwungenen Formen, den reichen Stuckierungen und den kuppelbekrönten Türmen war er ganz dem Zeitgeist der Jahrhundertwende entsprungen. Wie so viele Bauten des Historismus, ereilte auch ihn in den späten 1950er Jahren das Schicksal nicht mehr als zeitgemäß empfunden zu werden. Er wurde als baufällig und marode bezeichnet – seine Sprengung am 27. März 1965 war das Resultat. Dass seine stählerne Dachkonstruktion jedoch nicht ganz so baufällig war wie die Abrissbefürworter behaupteten, lässt die Tatsache vermuten, dass sie nach dem Einsturz des Mauerwerks nahezu unversehrt als Haube über diesem zu erliegen kam. Heute, weitere 50 Jahre später, wäre es so manchem Augsburger lieber, der alte Bau wäre damals erhalten geblieben – die Reue über die zu eilige Verurteilung und Beseitigung eines Bauwerks trifft wie immer die nachfolgende Generation…

Haupteingang NachtsQuelle: © Kongress am Park

Haupteingang der Kongresshalle (2012), © Kongress am Park

Hervorzuheben ist da der Umgang mit dem Gebäude, das den Platz des “Ludwigsbaus” eingenommen hat. Bereits 4 Jahre vor dessen Abriss war der Wettbewerb für einen Kongresshallenneubau an gleicher Stelle ausgeschrieben worden. Als Gewinner stand schon bald der Entwurf des Stuttgarter Architekten Max Speidel fest. Die fertigen Pläne für die Realisierung lagen bereits 1964 vor. Am 17. Juni 1972 konnte dann die neue Kongresshalle feierlich eingeweiht werden.

Der breit gelagerte Stahlbetonbau weist mit seiner Fassade zur Gögginger Straße. Einladend öffnet sich der aus dem Baukörper hervortretende Haupteingang mit seinem ausschwingenden, nach vorne hoch gewölbten Scheibendach. Die gläsernen Haupteingangstüren in Blau mit kreisförmigem Ausschnitt weisen in das niedrige Eingangsfoyer. An dieses anschließend findet sich der Hauptteil des Komplexes. Überragt wird der Bau von dem ebenfalls 1972 eingeweihten Hotelturm, welcher nach Plänen des Architekten und Bauherren Otto Schnitzenbaumer, unter Federführung des Augsburger Architekturbüros Brockel und Müller erbaut wurde und rund 158 Meter hoch aufragt. Seine das Erscheinungsbild prägenden halbkreisförmigen Balkone haben ihm schnell den Spitznamen “Maiskolben” eingebracht.

Mit zwei großen Kongress- und Konzerträumen, zwei hohen Foyers und rund sieben kleineren Veranstaltungsräumen für Tagungen und Konferenzen bietet das Kongresszentrum vielfältige Möglichkeiten. Stringent ziehen sich die Hauptgestaltungsmerkmale durch den gesamten Baukörper. Im Äußeren bereits einleitend aufgezeigt, ist es vor allem die Haptik des Schalsichtbetons, die dem Bau seinen Wiedererkennungswert verleiht. Durch hohe in Glas aufgelöste Fassadenflächen, hinter denen sich die Foyers erstrecken, wird der Rhythmus des Baus variiert. Die einzelnen Konstruktionselemente sind sichtbar als Stützen, Pfeiler, Ebenen, Decken und Wände ablesbar – kein Stück verbirgt seine Funktion. Bei geschlossenen Flächen wird dies noch zusätzlich durch die Ausrichtung der Schalungsabdrücke sichtbar. Wechsel von horizontaler und vertikaler Struktur des mit sägerauhen Brettern gestalteten Ortbetons sind an Wänden, Brüstungen und Pfeilern bewusst der Konstruktion folgend ausgearbeitet und wirken als zusätzliche Gestaltungsdetails.

Augsburger Kongresshalle, Ortbeton innenQuelle: C.MonekeAugsburger Kongresshalle, Ortbeton FoyerQuelle: C. MonekeAugsburger Kongresshalle, Ortbeton TurmQuelle: C. Moneke

In gleicher Art und Weise wie die Außenhülle ist auch das Innere gestaltet. Treppen und Galerien in Beton erstrecken sich in den Foyers und die Gestaltung ihrer Brüstungen zeigt die künstlerische Verwendung des Materials. Nahezu skulptural wirken die einzelnen gebogenen und weit auskragenden Elemente, wie sie sich am Dachüberstand des Foyers und in der durchdachten Gestaltung von runden Kantenabschlüssen finden. Der Pflegezustand des Baus ist heute vorbildlich. Die Sichtbetonflächen sind nicht wie vielerorts durch mehrlagige Farbaufstriche zugesetzt und wirken in ihrer rauhen, leicht offenporigen und feingliedrig profilierten Oberfläche so wie sie von Beginn an gedacht waren.

Das Bewusstsein für die Architektur war jedoch nicht immer das, wie es heute auch als Markenzeichen des Unternehmens “Kongress am Park”, einer Tochtergesellschaft der Stadt Augsburg, verwendet wird. Noch vor wenigen Jahren stellte sich die Kongresshalle in einem komplett anderen Kleid dar.

Zugewachsener Eingang, 2010Quelle: © Kongress am Park

Zugewachsener Eingang, 2010, © Kongress am Park

Zugewachsene Kongresshalle, 2010Quelle: © Kongress am Park

Zugewachsene Kongresshalle, 2010, © Kongress am Park

Fast vollständig zugewachsen, war von den gestalterischen Details des Sichtbetons bis zum Jahr 2010  kaum etwas von der Kongresshalle sichtbar gewesen. Einem Pelz gleich, war die Architektur des Baus von dichten Kletterpflanzen im Laufe der Zeit überwuchert worden und die mangelnde Akzeptanz gegenüber der Architektur der 1970er Jahre hatte auch zunächst keinen Anlass geboten, dem Grünbefall Einhalt zu gebieten. Über Jahre hinweg half man sich an vielen Stellen, die eine Sanierung oder Erneuerung benötigt hätten, wie so oft bei öffentlichen Großbauten, nur notdüftig und durch partielle Maßnahmen, hinweg. Die längst überfällig gewordene Überarbeitung der Sicherheitstechnik und die Energiebilanz des Baus führten 2009 dazu, sich umfangreich mit dem Bau auseinanderzusetzen zu müssen. Die Eintragung in die Bayerische Denkmalliste am 8. Juni 2009 war ein klares Zeichen für den Erhalt und ließ leise Stimmen für einen Abriss gar nicht erst laut werden.

Die Sitzgruppen im Foyer, originalgetreuQuelle: © Kongress am Park

Die Sitzgruppen im Foyer, originalgetreu, © Kongress am Park

“Wachgeküsst”, so bezeichnet der Architekt Gerhard Tham den frisch sanierten Zustand der Kongresshalle. Zusammen mit seinem Kollegen Hans Schuller hat er die Kongresshalle in den Jahren 2010 bis 2012 durch eine umfangreiche Sanierung aus dem Dornröschenschlaf erweckt. Als Nachfolgebüro des Architekten Max Speidel war schnell klar, dass Schuller & Tham für die Betreuung der Gesamtinstandsetzung die Richtigen sind. In stetem Austausch mit dem Betreiber, Geschäftsführer der “Kongress am Park” GmbH Götz Beck, ist es ihnen gelungen eine energetische Sanierung der Architektur der 1970er Jahre durchzuführen, bei dem der Denkmalschutz und der Erhalt von Originalsubstanz und -erscheinungsbild im Vordergrund standen. Mit dem Vorsatz “geht nicht, gibt’s nicht” wurden Konzepte für die Sanierung in einem Volumen von rund 21 Millionen entwickelt, die den Bau der Entstehungszeit klar im Fokus hatten.

Hierbei wurden mit großer Rücksicht auf die bauzeitliche Ästhetik und die charakteristischen Details seiner Außen- und Innengestaltungen eine vollständige Überarbeitung der technischen Einbauten und deren Anpassung an heutige Erfordernisse, vorgenommen. Der “grüne Vorhang” wurde entfernt, Fehlstellen im Beton wurden behutsam ausgebessert und der Sichtbeton wurde mit einer reversiblen Schutz-Lasur versehen, die seine Konservierung sichert, ohne dass seine Oberflächenstruktur beeinträchtigt wird.

Der große Kongress- und Konzertsaal, (2012)Quelle: © Kongress am Park

Der große Kongress- und Konzertsaal (2012), © Kongress am Park

Die erhaltenen Lampen der Garderoben (2012)Quelle: © Kongress am Park

Die erhaltenen Lampen der Garderoben (2012), © Kongress am Park

Im Inneren wurde nach Entfernung aller Decken ein neues Klima- und Heizsystem eingebaut – immer unter der Prämisse den erhaltenen Bestand an Decken- und Wandverkleidungen zu bewahren und eine Lösung zu finden, so dass technische Neuerungen hinter oder unter dem Original Platz finden. Neueinbauten von technischer Ausstattung erfolgten in sensibler Art. Ob es die kleinen, an der weiten Holzdecke nahezu unsichtbaren Köpfchen der Sprinkleranlage sind, oder die 25 hinzugekommenen Lautsprecher der Akustikanlage im großen Konferenzsaal – nahezu unsichtbar und mit viel Rücksicht auf den Gesamteindruck des Raums ist hier so lange gesucht worden, bis das Richtige gefunden war.

Auch die alten Ausstattungsstücke wurden neu belebt. Die Sitzmöbel der Entstehungszeit, die “Sitzschlangen”, sind neu bezogen und ergänzt worden und leuchten wieder in den Farben der 70er Jahre an ihren ursprünglichen Aufstellungsorten.

Quelle: © Kongress am Park

Das hohe Foyer nach der Sanierung (2012), © Kongress am Park

Quelle: © Kongress am Park

Das hohe Foyer nach der Sanierung (2012), © Kongress am Park

Die beeindruckende Licht-Installation des Foyers, bestückt mit über 3.000 Glühlampen, welche in ihrem Inneren durch tropfenförmige Osram-Halogenlampen ausgetauscht wurden, konnte in ihrem Erscheinungsbild bewahrt werden und wird seitdem mit einer Stromeinsparung von rund 30 % betrieben. Licht ist auch das neue Konzept für den Gesamtbau. Durch unterschiedliche Beleuchtung zu Tages- und Nachtzeiten, als auch für verschiedene Veranstaltungskonzepte,  erstrahlt die Kongresshalle nun eingetaucht  in tiefe Blau-, Rot-, Gelb-,  Grün- und Violett-Töne.

Mit der Umbenennung zur Wiedereinweihung am 3. Mai 2012 in “Kongress am Park” soll verdeutlicht werden, dass die schlechten Zeiten für die Halle nun vorbei sind. Frisch, nachhaltig und voll und ganz auf die klaren Formen der Gestaltung setzend, war Geschäftsführer Beck schon früh klar: “Die Architektur machen wir zu unserem Markenzeichen.”

Quelle: © Kongress am Park

Außenansicht der Kongresshalle “Kongress am Park” (2012), © Kongress am Park

Besuchsmöglichkeiten:
Kongress am Park
Gögginger Straße 10
86159 Augsburg
Öffnungszeiten zu den Veranstaltungen
Weiterführende Literatur zu Geschichte und Instandsetzung: Häußler, Franz: Augsburgs grüne Insel. Stadtgarten und Wittelsbacherpark. Vom Ludwigsbau zu “Kongress am Park”. Augsburg 2012. ISBN: 978-3-939645-48-1

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Die Autorin Constanze Moneke ist Kunsthistorikerin und Mitarbeiterin der Deutschen Stiftung Denkmalschutz. Sie zählt zu den Mitbegründerinnen der Werkstatt Baukultur Bonn.